Zwergwidder mit hochgradiger Pododermatitis an allen Gliedmaßen

Clara Krüerke, Garmisch-Partenkirchen & Laura Imhof, München.
Die Pododermatitis des Kaninchens ist eine Entzündung der Pfotenunterseiten, in der Regel sind die Hintergliedmaßen betroffen. Im Gegensatz zu Hund und Katze, bei denen die gesamte Fußungsfläche durch weiche Ballen gepolstert ist, sind beim Kaninchen die Zehen- und Tarsalknochen nur von einer dünnen Haut bedeckt. Schutz gegen Umwelteinflüsse und Druck bietet nur das dichte Fell. Bei Haltung auf hartem Untergrund/Gittern, mangelnder Hygiene, orthopädischen Erkrankungen, zu langen Krallen, Übergewicht, falscher Fütterung und/oder zu wenig Bewegung reicht das Fell zur Entlastung nicht mehr aus. Beginnend mit alopezischen Stellen, kann sich die Entzündung bis in die knöchernen Strukturen ausbreiten, sekundäre Infektionen (Bakterien, Pilze, Milben) sind häufig. Die Behandlung besteht - außer der Therapie der Infektionen – in der Polsterung der Hinterläufe und des Abstellens der prädisponierenden Faktoren. Sind tiefere Gewebsschichten oder Knochen betroffen, ist die Prognose vorsichtig.
Praxisfall
Ein Zwergwidder, männlich intakt, 3 Jahre alt, wurde in der Praxis vorstellig mit vorberichtlicher Apathie und Anorexie. Eine Vorbehandlung erfolgte bei einem Kollegen, die Medikamente waren nicht bekannt. Die Problemliste umfasste eine offene Pododermatitis an allen vier Pfoten, hochgradige Schwellung, Rötung und Alopezie aller Zehen der Vordergliedmaßen, alopezische Bereiche an den Unterschenkeln, Fieber (40,3°C), verminderter Appetit und Apathie.
Abgesehen von der allgemeinen Untersuchung wurde ein Blutbild gemacht, das eine Leukozytose, Thrombozytose, Hyperglobulinämie und erniedrigte Leberwerte zeigte. Behandelt wurde der Zwergwidder mit Meloxicam 0.5mg/kg 2x tägl. p.o., Novaminsulfon 50mg/kg 3x tägl. p.o. und Amoxicillin LA 20mg/kg 1x tägl. streng s.c. Ausgehend vom Appetit und der Kotbeschaffenheit wurde das Antibiotikum gut vertragen. Die offenen Wunden wurden alle ein bis zwei Tage mit hypochloriger Säure gespült, mit Manuka Salbe bestrichen und verbunden. Da der Patient unter Schmerzmedikation selbstständig Futter aufnahm, war keine assistierte Fütterung nötig.
Ein besonderes Augenmerk galt der weichen Haltung, da ohne eine Polsterung der Wunden eine Heilung nicht voranschreiten würde. Auch wurden die Verbände an den Vordergliedmaßen oft nach wenigen Stunden durch das Kaninchen wieder heruntergezogen.Alle Flächen im Käfig wurden mit ca. 6 cm dicken Schaumstoffplatten ausgelegt, die durch Inkontinenz-Kopfkissenbezüge und Handtücher vor Urin geschützt wurden. Dies ließ sich kostengünstig durch die Ausschlachtung einer alten Matratze und der Bestellung der Bezüge bei einem bekannten Onlinehändler realisieren. Wechselnde Häuschen aus Pappkartons dienten als Unterschlupf und boten Abwechslung.

Die Pododermatitis bei Kaninchen ist eine hoch schmerzhafte, ernstzunehmende Erkrankung. Entscheidend neben der Medikation ist eine sehr weiche Lagerung, die sich einfach und budgetfreundlich umsetzen lässt."
Nach fünf Tagen war die Körpertemperatur auf unter 39,5°C gesunken, statt Novaminsulfon wurde Gabapentin (25mg/kg 2x tägl. p.o.) als zusätzliche Schmerzmedikation appliziert. Zusätzlich erfolgte eine einmalige Behandlung mit Fluralaner 25mg/kg p.o. gegen Milben aufgrund der Rötung und Alopezie der vorderen Zehen, die sich auch über die dorsalen Seiten erstreckte.
Trotz der Medikation und kontinuierlicher Wundpflege schritt die Heilung der Pododermatitis nur langsam voran, zusätzlich bildeten sich immer wieder ca. pfefferkorngroße Abszesse an den vorderen Zehen. Der nach Eröffnung erspülbare Eiter und die ständigen eitrigen Auflagerungen an den Wunden der vorderen Zehenspitzen ließen vermuten, dass hier mehrere Eiterhöhlen kommunizierten. Eine Zunahme des Körpergewichts von 1,4 auf 1,6 kg zeugte allerdings von einer grundsätzlichen Besserungstendenz.
Gut zwei Wochen nach Behandlungsbeginn wurde ein chirurgisches Wunddebridement unter Allgemeinanästhesie (0,5mg/kg Midazolam, 0,2mg/kg Medetomidin, 5mg/kg Ketamin) durchgeführt. Wie angenommen, standen beide vorderen Ballen und die meisten vorderen Zehen komplett unter Eiter, der auch die hochgradige Schwellung der Zehen verursacht hatte. Nach vorsichtiger Entfernung des Eiters wurden die Wunden abermals gespült und verbunden. Am linken Calcaneus wurde nach Entfernung der hartnäckigen Eiterschichten, die bis dahin die Wunde bedeckten, ein tiefes Geschwür freigelegt, durch das sich der Calcaneus sondieren ließ. Hier zeigte sich im Röntgenbild eine diffuse Aufhellung am proximalen Calcaneus.
Neben der Entnahme eines bakt. Tupfers aus dem knochennahen Geschwür wurden zusätzlich Haarbüschel an den alopezischen Unterschenkeln für eine Pilzkultur entnommen. Die Wundpflege wurde um Nekrolyt-Salbe für die eitrigen Wundauflagerungen ergänzt und die Antibiose (nach Antibiogramm) auf Enrofloxacin 5mg/kg 2x tägl. p.o. für 10 Tage umgestellt. Die Pilzkultur war negativ.
Knapp vier Wochen nach Behandlungsbeginn waren die Zehen der Vordergliedmaße wieder größtenteils mit dichtem Fell bewachsen. Die Wunden an den Zehenspitzen hatten sich geschlossen, die Tage zuvor ergab die Wundspülung aus zwei Abszessöffnungen nur noch geringe Mengen Eiter. Am linken Calcaneus war die Wunde noch vorhanden, aber dick verkrustet. Das Kaninchen wurde zusehends mobiler, hatte an den Hinterläufen etwas Muskulatur aufgebaut und wirkte selbstbewusster. Der Appetit war gestiegen, das Gewicht blieb konstant.
Sechs Wochen nach Aufnahme waren auch die hinteren Pfoten bis auf den kaudalsten Teil des linken Calcaneus mit dichtem Fell bewachsen. Die alopezischen Stellen an den Unterschenkeln blieben. Die Wunde am Calcaneus war weiterhin verkrustet. Aufgrund von Scheuerstellen an der Beugeseite des Sprunggelenks, die sich auch mit veränderter Wickeltechnik oder ersatzweise einem dicken, schmalen Socken nicht verhindern ließen, wurde das Gelenk nicht mehr verbunden. Zu den Schaumstoffpolstern gesellte sich ein Kaninchenklo mit Sägespänen, was gut angenommen wurde.
Bei der letzten Nachkontrolle zehn Wochen nach Behandlungsbeginn schlossen sich auch die letzten alopezischen Stellen inkl. der ehemaligen Wundfläche hinten links. Vorne links blieb eine Zehe dauerhaft überstreckt, eine dauerhaft geringgradigst gebeugt. Es wurde von einem Sehnenschaden aufgrund der Wundinfektion ausgegangen. Die Einstreu im Heimatstall war von einer ehemals dünnen Schicht Heu auf eine Hälfte Schaumstoffpolster und eine Hälfte dicke Sägespänenstreu umgestellt worden. Das Gabapentin wurde vierzehn Wochen nach Erstvorstellung ausgeschlichen, das Metacam dagegen beibehalten, da der Widder trotz lahmheitsfreiem Hoppeln den linken Hinterfuß beim Sitzen noch vorschob.
Take Home Message
Die Pododermatitis bei Kaninchen ist eine hoch schmerzhafte, ernstzunehmende Erkrankung. Entscheidend neben der Medikation ist eine sehr weiche Lagerung, die sich einfach und budgetfreundlich umsetzen lässt. Mit etwas Wissen und viel Engagement lassen sich damit auch einige der schwereren Fälle behandeln. Belohnt wird der Einsatz im besten Falle mit einem Patienten, der regelmäßig Fortschritte macht bis zur vollständigen Gesundung.