Zweitmeinung Tierarzt - Sicherheit nach dem zweiten Blick

"Wir möchten keine Konkurrenz sein, sondern Hilfe und Unterstützung von Ferne anbieten", erklärt Dr. Christiane Stengel, die im Mai 2020 mit "Zweitmeinung Tierarzt" ein Tiermedizinportal für Telemedizin gegründet hat. "Wir betreiben die Telemedizin zusammen und im Gespräch mit den behandelnden Kollegen zum Wohle der Tiere." Im nachfolgenden Artikel beschreibt die erfahrene Tierärztin, die 15 Jahre lang als Oberärztin "Innere Medizin" in der Tierklinik Hofheim gearbeitet hat, an zwei konkreten Fällen, wie sie arbeitet und sich die Zusammenarbeit mit Kolleg:innen darstellt.

Im Mai 2020 wurde "Zweitmeinung Tierarzt" gegründet, eine spezialisierte Beratung von Besitzer:innen mittels Telemedizin. Im Gegensatz zu Plattformen, bei denen Tierbesitzer:innen direkt von einem Tierarzt telefonisch oder per Videochat beraten werden, arbeitet "Zweitmeinung Tierarzt" nur mit schon erhoben Daten von Kollegi:innen. Das Prinzip liegt darin, dass ausschließlich eine Zweitbegutachtung und -bewertung bereits bestehender Befunde von Laboruntersuchungen (Blut, Urin, Zytologie, Histologie, etc.) und bildgebender Verfahren (Röntgen, Ultraschall, Endoskopie, CT) durch einen europäischen Spezialisten (Diplomate) auf dem jeweiligen Gebiet durchgeführt wird. Auch werden bereits bestehende Therapien besprochen und wenn notwendig angepasst. Wichtig ist uns, dass die Besitzer die Beratungsergebnisse mit dem behandelnden Tierarzt besprechen. Eine Notfallsprechstunde oder Erstkonsultation wird bei "Zweitmeinung Tierarzt" nicht angeboten.

Fall I: Yorkshire Terrier Sam, 11 Jahre

Bei Sam, einem elfjährigen, männlich kastrierten Yorkshire Terrier wurde vom Haustierarzt 2017 aufgrund von Polyphagie, Fellverlust und tonnenförmigen Abdomens ein Hyperadrenokortizismus mittels LDDS Test diagnostiziert. Sam bekam Trilostan (Vetoryl), die Dosis wurde anhand von ACTH-Tests eingestellt. Nach zwei Monaten waren die Serum-Kortisolkonzentrationen so niedrig, dass Vetoryl abgesetzt wurde. Die Alopezie blieb bestehen, Sam ist am Rumpf weitgehend haarlos. Es folgten viele diagnostische Tests: Schilddrüsenprofil unauffällig, mehrfach Kortisol-Kreatinin Quotient im Urin jeweils zwischen 40–60, Hautbiopsie mit Befund einer hormonellen Störung, Ultraschall Abdomen mit unspezifischen Veränderungen wobei die Nebennieren nicht eindeutig beurteilt werden konnten, Blutbild, Chemieprofil, cPLI ohne auffällige Befunde, keine Besserung der Alopezie nach Kastration (Hodentumore). Im März 2020 wurde eine Proteinurie festgestellt und wegen zunehmender Polyphagie und Polyurie erneut ein LDDS-Test durchgeführt, dieser unauffällig war. Sam ging es die ganze Zeit klinisch gut, dennoch war seine Besitzerin massiv besorgt. Sams Haustierärztin riet zur Überweisung an einen Spezialisten zur weiteren Aufarbeitung, woraufhin "Zweitmeinung Tierarzt" konsultiert wurde.

Nach Übersendung aller Befunde und der Zusammenfassung der Praxis konnte ich mit Sams Haustierärztin über den weiteren Plan telefonisch diskutieren. Nach telefonischer Besprechung mit Sams Besitzerin wurde der Patient zu einer ultrasonografisch spezialisierten Kollegin geschickt - es wurde eine Adrenomegalie ausgeschlossen, die Nebennieren waren aber etwas hypoechogen. Der ACTH-Test war unauffällig, so dass als Differentialdiagnose entweder ein schwer zu diagnostizierender Hyperadrenokortizismus oder eine Alopezie X in Frage kamen. Mit Besitzerin und der Haustierärztin wurde gut kontrolliertes Abwarten und Therapie der Proteinurie oder ein Therapieversuch mit höher dosiertem Vetoryl angesprochen. Sams Besitzerin entschied sich dazu, abzuwarten und regelmäßig zur Kontrolle zu ihrer Tierärztin zu gehen. Sobald Bedarf besteht, meldet sie sich bei "Zweitmeinung Tierarzt".

FAZIT: Ein gut koordiniertes Zusammenarbeiten mehrerer Tierärzt:innen konnte Sam insofern helfen, als dass sich seine Besitzerin aktuell keine Sorgen macht und weiß, dass sie sich jederzeit an die Spezialist:innen online wenden kann und trotzdem bei ihrer angestammten Tierärztin in Behandlung bleibt.

Wir betreiben die Telemedizin zusammen und im Gespräch mit den behandelnden Kollegen zum Wohle der Tiere."

Dr. Christiane Stengel, Zweitmeinung Tierarzt

Fall II: Kater Paul, 12 Jahre

Ein weiterer Patient ist Katze Paul, 12 Jahre, männlich-kastriert, Freiläufer. Paul war bis Mitte Dezember 2019, als sein Katzenkumpel verstarb, ein furchtloser Draufgänger; zeitgleich hatte Paul auch eine unangenehme Auseinandersetzung mit einer Fuchsfamilie. Ab diesem Zeitpunkt war Paul wesensverändert, sehr anhänglich und verschmust, seltener draußen, weniger furchtlos und zeigte ab April 2020 auch wechselnde Futteraufnahme ohne messbaren Gewichtsverlust.

Die klinische Untersuchung durch die Haustierärztin verlief unauffällig. Die Hämatologie war obB, das Chemieprofil nicht ganz komplett aber – im Vergleich zu einem geriatrischen Profil in 2018 – ALT und GLDH waren marginal erhöht, T4 war in 2018 und 2020 unauffällig. Pauls Haustierärztin sah keinen Anlass zur weiteren Untersuchung. Der Besitzer realisierte dann, dass die Referenzbereiche der Blutuntersuchungen 2018 und 2020 nicht identisch waren. Als Ingenieur ergab für ihn diese Diskrepanz der Referenzbereiche keinen Sinn, und nach Befragung seiner Haustierärztin blieben für ihn weiterhin Fragen offen. So kontaktierte er "Zweitmeinung Tierarzt" und sandte Anamnese und die Blutbefunde zu. Ich habe mit dem Katzenbesitzer im Detail über Laborwertentstehung, Referenzbereichfestlegung, Verschiedenheit der Laborgeräte, Reagenzien und Messverfahren diskutiert. Am Ende des Gesprächs war Pauls Besitzer zwar nicht glücklich, dass ein biologisches System nicht so greifbar ist wie ein mechanisches, aber sehr zufrieden mit den ausführlichen Erklärungen. Und er war sehr beruhigt, da seine Haustierärztin im Grunde das Gleiche über die Aussagekraft der Werte gesagt hatte - nur wurde ihm der Hintergrund nicht so detailliert erklärt.

Den Befund von "Zweitmeinung Tierarzt" hat er mit seiner Haustierärztin geteilt.

Keine Konkurrenz zum Haustierarzt!

Beide Beispiele zeigen, dass "Zweitmeinung Tierarzt" die Telemedizin zusammen und im Gespräch mit den behandelnden Kolleg:innen zum Wohle von Katze und Hund betreibt. "Wir möchten keine Konkurrenz sein, sondern Hilfe und Unterstützung von Ferne anbieten", errklärt Dr. Christiane Stengel. Durch die direkte Beratung der Besitzer:innen hat der Tierarzt weniger Arbeitsaufwand und kann den Besitzern raten, sich direkt an "Zweitmeinung Tierarzt" zu wenden. Und da in der Telemedizin keine direkte Untersuchung durchgeführt wird, bleibt der Patient weiterhin bei seinem angestammten Tierarzt in Behandlung.