​Zahnerkrankungen beim Welpen und Junghund

Das Milchgebiss des Hundes besteht aus 28 Zähnen, das des erwachsenen Hundes aus 42. Der Zahnwechsel beginnt beim Welpen im Alter von ca. 14 Wochen im Oberkiefer mit den inneren Schneidezähnen. Bis zum Alter von 6-7 Monaten haben dann auch die Fangzähne gewechselt. Bereits im Alter von 12-14 Wochen sind die Zahnanlagen der bleibenden Zähne röntgenologisch nachweisbar. Das Hundegebiss ist ein Scherengebiss, in welchem die Vorderseite der unteren Schneidezähne Kontakt mit der Rückseite der oberen Schneidezähne haben sollten und die Zahnspitzen der Backenzähne von Ober- und Unterkiefer wie bei einer Zackenschere aufeinandertreffen. Die prominenten, an die Schneidezähne anschließenden Zähne werden als Fangzähne bezeichnet, da der Hund mit diesen seine Beute ergreift und festhält. Die letzten vorderen Backenzähne im Oberkiefer (P4) sowie die ersten hinteren  Backenzähne des Unterkiefers (M1) werden als Reißzähne bezeichnet – mit diesen zerkleinert der Hund seine Nahrung.

Die häufigsten Zahnerkrankungen beim Welpen und Junghund sind nicht ausgefallene (persistierende) Milchzähne, fehlende oder überzählige bleibende Zähne, Zahn- und Kieferfehlstellungen, und, seltener, Schmelzdefekte und Zahnverfärbungen. Je nach Rassezugehörigkeit und Zuchtverband führen Fehler im bleibenden Gebiss aufgrund ihrer Erblichkeit zum Zuchtausschluss. Wichtiger noch als der züchterische Aspekt ist, dass ein Teil der Zahnerkrankungen mit erheblichen Leiden für das Tier einhergeht und daher frühzeitig fachmännisch behoben werden sollte.

Ist der Milchzahn noch vorhanden, obwohl der bleibende Zahn bereits durchgebrochen ist, spricht man von einem persistierenden Milchzahn (Abb. 1). Die Ursache hierfür ist, dass die Zahnanlage des bleibenden Zahnes nicht direkt unter der des Milchzahnes liegt und dieser daher beim Zahnwechsel nicht gelockert wird. Häufig kommt dies bei den Fangzähnen („Canini“) vor, daher auch die Bezeichnung „persistierender Caninus“. Die bleibenden Fangzähne brechen im Unterkiefer zungenwärts der Milchzähne durch. Der nicht ausgefallene Milchzahn bewirkt im Unterkiefer, dass der bleibende Fangzahn zu steil nach oben wächst und dort den harten Gaumen verletzen und zu einer Fistel führen kann. Aus diesem Grund ist es unerlässlich, persistierende Canini frühzeitig zu ziehen, bevor eine Zahnfehlstellung der bleibenden Fangzähne im Unterkiefer daraus resultiert. Bei persistierenden Canini im Oberkiefer bricht der bleibende Fangzahn vor dem Milchzahn durch. Da die beiden Zähne sehr eng aneinander stehen, sammeln sich  hier Futterreste und Haare, zudem kann es zu einem Schmelzabrieb am bleibenden Zahn an der Kontaktstelle mit dem Milchfangzahn kommen. Zum Entfernen der Zähne ist eine schonende Kurznarkose erforderlich, um diese vollständig und schmerzfrei zu ziehen. Persistierende Canini sollten unter keinen Umständen am nicht sedierten Hund unsachgemäß mit einer Zange durch den Laien entfernt werden. Diese für den Hund sehr schmerzhafte und tierschutzwidrige Prozedur führt in der Regel zum Abbrechen des Milchzahnes, da dieser eine sehr lange Wurzel hat (Abb. 2). Darüber hinaus kann es zu einem Wurzelspitzenabszess kommen, welcher die Zahnanlage des darunterliegenden bleibenden Fangzahnes schädigen kann.

Achten Sie auf die Zahn- und Gebissgesundheit Ihres Hundes bereits im Welpenalter – damit Ihr Hund bis ins Alter kraftvoll zubeißen kann."

Dr. Cornelia Heinichen​, Fachtierärztin für Heim- und Kleintiere

Eine Fehlstellung der unteren Fangzähne (Caninussteilstand) kann infolge der nicht entfernten, persistierenden Milchzähne eintreten. Das Krankheitsbild wird in vier Schweregrade unterteilt, deren Korrektur unterschiedlich ist. Beim Grad 1 kann das mehrmals tägliche Auswärtsmassieren der unteren Fangzähne durch den Besitzer bereits erfolgreich sein. Grad 2 kann mittels Dehnschraube oder Aufbissschiene (Abb. 3) korrigiert werden. Bei Grad 3 und 4 sind in der Regel aufwändigere Maßnahmen in mehreren Schritten erforderlich, um Platz für den verlagerten unteren Fangzahn zu schaffen.

Zu den Kieferfehlstellungen gehört der zu lange bzw. der zu kurze Unterkiefer (Abb. 4 und 5). Die Therapie dieser basal-skelettalen Fehlstellungen ist relativ aufwändig und sollte primär darauf abzielen, dem Hund ein artgerechtes Leben zu ermöglichen. Schmelzdefekte an mehreren Zähnen kommen meist durch schwere Infektionskrankheiten während der frühen Zahnentwicklung im Alter von 4-14 Wochen zustande („Staupegebiss“). Kommt es zu einer Störung der Zellen, die für die Bildung der Zahnhartsubstanz verantwortlich sind, ist der Schmelzüberzug der bleibenden Zähne teilweise defekt oder fehlend. Aber auch starker Wurmbefall oder andere, fiebrige Erkrankungen, die während der Zahnbildung stattgefunden haben, können zu bleibenden Schäden führen. Das Antibiotikum Tetrazyklin führt zu einer Gelbverfärbung des Zahnschmelzes. Sowohl bei den infektiös bedingten Schmelzdefekten, als auch bei den durch Antibiotika verursachten Schmelzverfärbungen sind in der Regel alle Zähne betroffen. Ist hingegen nur ein Zahn verändert, spricht vieles für ein Trauma. Bei näherem Nachfragen kann dieses beispielsweise durch einen Biss oder das Prallen gegen einen Gegenstand im Welpenalter erfolgt sein.

Bei allen kieferorthopädischen Maßnahmen muss bedacht werden, dass der Junghund während der Tragezeit von festen Spangen und Apparaturen aufgrund der Verletzungsgefahr nicht mit anderen Hunden spielen kann. Da der Zeitpunkt in eine wichtige Sozialisierungsphase (Jugend- und Pubertätsphase) fällt, sollte nach Möglichkeit versucht werden, den kieferorthopädischen Eingriff so zu wählen, dass diese sensible Phase nur kurz gestört wird. Die vorgenommenen Korrekturmaßnahmen sollten stets unter Berücksichtigung der Vorschriften des jeweiligen Zuchtverbandes erfolgen. In Praxis heißt das, dass der Züchter darauf hinzuweisen ist, dass er aufgrund der Erblichkeit von Kieferfehlstellungen mit Hunden, bei denen aus tierschutzrechtlichen Gründen Korrekturen am Gebiss vorgenommen wurden, diese nicht zur Zucht einsetzen sollte.