Notfälle am Tierauge
Notfälle am Auge sind Situationen, bei denen ohne sofortige augenärztliche Hilfestellung ein Auge, bzw. beide Augen dauerhaft schmerzhaft oder blind werden und unter Umständen sogar verloren gehen können. Leider sind Augen-Notfälle für den Laien - und manchmal auch den Haustierarzt – nicht leicht zu erkennen. Der Grund dafür ist, dass das Auge mit nur relativ wenigen, mitunter schwach ausgeprägten Symptomen auf Erkrankungen reagiert. Bei unklaren Veränderungen ist daher eine schnelle Untersuchung bei einem Tieraugenarzt zu empfehlen.
Welche „Alarmsignale“ für Augenerkrankungen gibt es?
Bei der Beurteilung von Auffälligkeiten am Auge sollten Sie beide Augen ihres Tiers miteinander vergleichen. Das plötzliche Auftreten von einem oder mehreren der folgenden sogenannten Leitsymptome ist immer als Alarmsignal zu werten:
1. Öffnung der Lidspalte
Eine zu kleine Lidspalte kann durch leichtes Brennen, Fremdkörpergefühl oder starke Schmerzen hervorgerufen werden (siehe Abb. 1 und 2). Reiben oder Jucken am betreffenden Auge sind keine „Angewohnheit“ des Tiers, sondern deutet ebenfalls in diese Richtung. Oftmals sehen Sie diese Symptome deutlicher, wenn ihr Tier sich in Ruhe befindet. Eine zu große Lidöffnung, insbesondere bei mangelhaftem Lidschluss, ist fast immer ein problematischer Zustand (siehe Abb. 3) . Auch bei geringen Änderungen der Lidöffnung sollten die Augen unverzüglich und gründlich untersucht werden.
2. Augenausfluss
Augenausfluss zeigt immer eine Veränderung am Auge an und bedeutet, dass Sekret (wässrig, schleimig oder eitrig) aus dem Auge läuft. Falls plötzlich Ausfluss einsetzt, sollte man an einen schmerzhaften und problematischen Zustand am Auge denken.
3. Position des Augapfels
Die Position des Augapfels kann von der normalen abweichen. Ein Auge, das stark zurückgefallen oder -gezogen ist, wird vom Tierhalter oft als „verdrehtes Auge“ beschrieben. Dieser Eindruck entsteht durch das passive Vorfallen der Nickhaut (= drittes Augenlid) vor den Augapfel. Diese Situation ist als starkes Schmerzzeichen zu werten und somit ein Notfall (siehe Abb. 2). Ebenso, wenn das Auge sehr stark nach vorn tritt, insbesondere wenn das sehr schnell passiert und der Lidschluss behindert ist, muss von einem Notfall ausgegangen werden. Eine Untersuchung ist auch angeraten, wenn sich Symptome bessern und das Auge wieder „normal“ aussieht.
4. Rötung
Die Rötung des „Weißen“ des Auges (Sklera = Lederhaut) zeigt eine Reizung der Bindehaut oder eine Stauung der Bindehautgefäße an. Zur Beurteilung der Rötung ist es ratsam, die Oberlider nach oben zu ziehen und dann auf den Augapfel zu schauen. Prinzipiell kann die Stärke der Rötung als ein Gradmesser für die Schwere der Erkrankung angesehen werden (siehe Abb. 2, 3 und 6) .
Als wichtigster Grundsatz gilt: Wenn am Auge sichtbare Veränderungen auftreten, ist das Warten auf Besserung die schlechteste Maßnahme."
5. Trübungen oder Verfärbungen
Trübungen oder Verfärbungen des Auges können eine Reihe von Ursachen haben. Man kann aber davon ausgehen, dass Trübungen grundsätzlich ein Anzeichen für eine mehr oder weniger dramatische Erkrankung des Auges sind. Veränderungen in der Transparenz des Auges sollten unabhängig von Ausdehnung und Stärke als Notfall betrachtet werden (siehe Abb. 3, 4, 6 und 7).
6. Oberfläche der Hornhaut
Die Hornhaut hat im gesunden Zustand eine glatte Oberfläche. Das ist notwendig für ein gutes Sehvermögen und ein wichtiger Abwehrmechanismus gegen Schmutz und Bakterien. Sichtbare Rauigkeiten oder ein matter Glanz bzw. Vertiefungen oder Erhöhungen in der Kontur der Hornhaut sind als potentieller Notfall zu betrachten. Wenn am Boden eines Kraters die Hornhaut wieder klar wird, steht das Auge unmittelbar vor dem Auslaufen und muss möglichst schnell von einem Tieraugenarzt operativ versorgt werden (siehe Abb. 7).
7. Größe der Pupille
Die Größe der Pupille kann auch auf einen Notfall hinweisen (Informationen zu Pupille und Pupillarreflex). Unterschiedlich große Pupillen sind ein Indiz für eine Erkrankung und können auf eine Notfall-Situation hinweisen (siehe Abb. 2, 3 und 7).
8. Verlust des Sehvermögens
Plötzlicher teilweiser Verlust des Sehvermögens oder Blindheit sind als Notfall zu bewerten. Besonders bei einseitiger Blindheit ist es für den Tierhalter schwierig, die Symptome richtig zu deuten, weil unsere Tiere dies oft sehr gut mit dem anderen Auge kompensieren können. Außerdem ist das betroffene Auge häufig äußerlich nicht verändert. Falls Ihnen bei ihrem Tier ein beeinträchtigtes Sehvermögen auffallen sollte, gilt es, unbedingt schnell zu handeln. Unter Umständen können Sie damit das Sehvermögen ihres Tiers erhalten (siehe Abb. 3 und 7).
Wertvolle Dinge werden bewahrt wie „unser Augapfel“. Hier zeigt schon unsere Sprache, dass das Auge besonderen Schutz und Fürsorge benötigt.
Ob ein Notfall vorliegt oder nicht, ist für die verantwortliche Person nicht selten schwer einschätzbar. In Fällen mit nur geringen Veränderungen am Auge gibt manchmal die Vorgeschichte (Beißerei, Kampf mit einer Katze oder Jagd durch ein Gebüsch etc. ) wichtige Hinweise auf einen kritischen Zustand des Auges. In anderen Fällen zeigen starke Symptome oder die Eskalation schon länger bemerkter Veränderungen einen Notfall an.
Als wichtigster Grundsatz gilt: Wenn am Auge sichtbare Veränderungen auftreten, ist das Warten auf Besserung die schlechteste Maßnahme.
Titelbild von Rudy and Peter Skitterians auf Pixabay