Gefährliche Fäden - Der lineare Fremdkörper bei der Katze als chirurgischer Notfall

Lineare Fremdkörper (LFB) stellen eine besondere Form der Obstruktion bei Katzen dar. Oft werden diese als Notfall präsentiert und chirurgisch versorgt. Typischerweise handelt es bei den LFB um lange fadenartige Objekte wie Nähgarn, Wolle, Angelschnur, Zahnseide, Lametta oder auch Geschenkband. Diagnose und Therapie dieser Pathologie stellen sowohl eine diagnostische als auch chirurgisch-klinische Herausforderung dar. Der Verlauf kann sich sowohl asymptomatisch als auch lebensbedrohlich entwickeln.

Ätiologie

Lineare Fremdkörper sind einer der häufigsten Arten von gastrointenstinalen Fremdkörpern bei der Katze. Katzen sind hierbei vermehrt repräsentiert als Hunde, dies ist aufgrund ihres Spieltriebes und –verhaltens zurückzuführen. Zu den oftmalig verschluckten Fremdkörpern zählen:

  • Nähgarn +/- Nadel
  • Wolle
  • Geschenkband
  • Dentalfäden
  • Angelschnur +/- Angelhaken
  • Haargummis
  • Textilband

“Ein besonderes Risiko besteht, wenn ein Teil des LFB im Maul, vor allem unter Zunge oder im Pylorus, hängenbleibt. Dies bezeichnet man als Ankerpunkt, während der Rest durch den Darm wandert.”

Pathophysiologie

Lineare Fremdkörper haben nicht nur mechanische, sondern auch physikalische Einwirkung auf die Schleimhaut des Intestinums. Aufgrund der bestehenden Peristaltik des Darmes und dem bestehenden Ankerpunkt entstehen folgende Pathologien:

  • Plikation (Faltung) des Darmes
  • Strangulation der Darmwand mit möglicher Ischämie
  • Serosaverletzungen, Ulzerationen bzw. auch Perforationen
  • in schweren Fällen septische Peritonitis

Klinische Symptome

Oftmals hat man Glück und die Aufnahme des LFB wurde beobachten, aber noch öfter wird es vermutet oder die Besitzer:innen sind unwissend über dessen Ingestion. Klinische Anzeichen eines LFB können stark variieren:

  • Erbrechen
  • Inappetenz
  • Apathie
  • Abdominaler Schmerz
  • Durchfall
  • Dehydrierung
  • Kachexie

Aber auch bedrohliche Anzeichen wie:

  • Hochgradiger abdominaler Schmerz
  • Tachykardie
  • Depression
  • Blasse Schleimhäute
  • Verlängerte Kapillarfüllungzeit
  • Fieber

Sprich alle klinischen Anzeichen eines Schockes. “Im Falle von Schockzeichen, gilt immer die Erstversorgung des Patienten und nicht die sofortige chirurgische Intervention”

Oftmals muss der Patient erst klinisch versorgt werden, bevor eine weitere Diagnostik durchgeführt werden kann. Wobei die Analgesie idealerweise als Erstes durchgeführt werden sollte - hierfür eigenen sich reine mu-Agonisten sehr gut. Eine vollständige Blutanalyse ist unerlässlich, vor allem inklusive Blutgase. Häufig präsentieren sich diese Patienten bei anhaltenden Symptomen mit hochgradigen Elektrolytimbalancen, die eine Korrektur bedarf. Gollnick et al. (2023) verdeutlichen, dass Hyponaträmien bzw. -chlorämien bei diesen Patienten prominent nachgewiesen werden und hiermit auch ein Indiz bei der Diagnostik sein können. Ebenso kann man ein Serum-Amyloid-A bei der Katze bestimmen, welches im Akutfall auch hoch sein wird.

Diagnostik

Die klinische Untersuchung ist eines der wichtigsten Tools für die Diagnostik dieser Fälle. Vor allem, wenn ein LFB verdächtigt wird. Es ist elementar, dass bei diesen Patienten immer unter die Zunge geschaut wird, da dies eines der Ankerpunkte sein kann. Es gibt da einen guten Trick, dies bei der Katze leichter zu visualisieren. Wenn man beim Öffnen der Maulhöhle mit dem Zeigefinger zwischen den Mandibularästen von ventral nach dorsal drückt, hebt dies die Zunge weiter an und erleichtert den Einblick. Ebenso kann auch bei der abdominalen Palpation bereits ein Hinweis auf Plikation bestehen.

“Wir empfehlen, nie an dem Ankerpunkt zu ziehen, da dies zu einer Fortschreitung der Auffädelung führen kann.”

Abgesehen von der klinischen Evaluierung ist die bildgebende Diagnostik ausschlaggebend. Sowohl röntgenologisch als auch sonographisch können LFB dargestellt werden, wobei die Interpretation beim Ultraschall eine sehr hohe Sensitivität aufweist. Beim Röntgen machen sich luftgefüllte Kommas bemerkbar oder sogar die Plikation des Darmes (“string of pearls”). Sollte man freie Luft im Abdomen finden, so ist dies ein Indiz für eine Perforation.

Beim Ultraschall erkennt man in den meisten Fällen den LFB selbst, der als hyperechogene Struktur vorzufinden ist, nicht immer mit einem akustischen Schatten. Ebenso ist die intestinale Plikation sehr markant. Es ist wichtig, hierbei zwischen der Plikation des Darmes und der Korrugation des Darmes zu unterscheiden, denn bei der Plikation ist die Serosa ebenso betroffen. Bei der Korrugation stellt sich die Serosa geradlinig in ihrem Verlauf dar. Bei fehlendem Ankerpunkt unter der Zunge lässt sich dieser oft beim Pylorus auffinden.

Therapie

Oftmals wird seitens der Katzenhalter:innen nach einem konservativen Management gefragt, vor allem wenn wissentlich ein LFB aufgenommen wurde. Eine spontane Fremdkörperausscheidung ist immer möglich aber keine Garantie. Wenn der Patient noch keine systemischen Anzeichen zeigt und die bildgebende Diagnostik einen Sitz im Magen bestätigt, kann dies zu einer endoskopischen Entfernung divertiert werden. Dennoch kann auch der endoskopische Eingriff in einer explorativen Laparotomie enden, wenn der LFB sich bereits mit der Peristaltik des Darmes weiter fortbewegt hat.

“Ein konservatives Management von LFB birgt ein hohes Risiko mit sich.”

Ansonsten steht noch die chirurgische Resektion des LFB an. Wichtig ist, wie bereits erwähnt, den Ankerpunkt zu identifizieren. Wenn dieser an der Zunge ist, reicht oftmals nur eine Gastrotomie, um sowohl den oralen als auch aboralen mit sanftem Zug zu entfernen, ohne weiteren Schaden zu verursachen. Liegt dieser beim Pylorus und führt ein leichter Zug zur weiteren Plikation, so folgen eine bzw. manchmal auch mehrere Enterotomien. In seltenen Fällen ist sogar eine Enterektomie mit Anastomose notwendig.

Es ist sehr wichtig, dass man nach Eröffnung des Abdomens, egal ob Magen oder Darm immer gut mit Laptupfern abpackt, um eine Kontamination des Abdomens zu vermeiden. Diese Inzision sollte groß genug sein, um den LFB zu entfernen. Viele würden noch einen “Dichtigkeitstest” nach dem Verschluss machen, was jedoch veraltet ist. Wichtig ist, dass der Verschluss der Gastrotomie-, Enterotomie- bzw. Enterektomieseite nicht unter Spannung steht oder zu große Abstände zwischen den Einzelknopfnächten bzw. der fortlaufenden Naht bestehen.

Prognose

Die Prognose an sich ist sehr gut, vorausgesetzt es kam zu keiner Perforation bzw. septischen Peritonitis. Wunddehiszenzen sind an sich eher selten bei Gastrotomien bzw. Enterotomien zu beobachten. Die meisten Katzen erholen sich recht gut und schnell nach einem Eingriff.

Literatur