Infektanfällig - Immunsystem stärken beim Hund
Alle Jahre wieder Stress und Hektik, weil viel zu viel bis Weihnachten noch erledigt werden soll, kein Freiraum für aufwändige Mahlzeiten mit frischem Obst und Gemüse, überheizte Räume, schlechte Luft, keine Zeit und angesichts des düsteren Wetters auch wenig Lust, größere Spaziergänge in der Natur zu unternehmen. Das sind beste Voraussetzungen für Tierbesitzer:innen und Hunde, sich einen Atem- oder Harnwegsinfekt einzufangen, weil das Immunsystem seinen Aufgaben unter diesen Bedingungen nicht mehr gewachsen ist.
Stress und Infektanfälligkeit
Der Zusammenhang zwischen Stress und Infektanfälligkeit ist offensichtlich. Insbesondere chronischer Stress wirkt immunsuppressiv. Er vermindert pro-entzündliche Immunreaktionen und begünstigt dadurch Infektionen. Dies ist nur ein Aspekt im komplexen Regelsystem Hypothalamus-Hypophyse-Nebennierenrinde, für das der Veterinärimmunologe Anton Mayr den Begriff der "Psycho-Neuro-Endokrino-Immunologie" prägte. Störungen in diesem Regelkreis, der „Stressachse“, haben weitreichende Auswirkungen auf das Immunsystem. Hier entscheidet sich, ob es dem Organismus gelingt gesund zu bleiben, Infektionen zu verhindern und eingedrungene Infektionserreger zu eliminieren.
Neben sozialem bzw. psychischem Stress schädigen auch chronische Erkrankungen durch Organinsuffizienzen und Stoffwechselstörungen das Immunsystem. Auch durch degenerative Gelenkerkrankungen verursachte Schmerzen sind Stressoren, die das Immunsystem schwächen. Andererseits wirken langfristig oder gar dauerhaft gegen schmerzende Entzündungen eingesetzte steroidale und nichtsteroidale Antiphlogistika ebenfalls immunsuppressiv und machen dadurch infektanfällig. Ein Teufelskreis.
Aufgaben des Immunsystems
An die Zellen des Immunsystems werden hohe Anforderungen gestellt. Sie müssen permanent sowohl zwischen Strukturen von Selbst und Nicht-Selbst, als auch zwischen pathogenen und nicht pathogenen Keimen unterscheiden. Das kostet viel Energie, insbesondere im Darm, wo es durch die residente Darmflora und die keimbelastete Nahrung den größten Eintrag von potentiell Schädlichem in den Organismus gibt. Das darmassoziierte Immunsystem ist deshalb besonders umfangreich.
Immunsystem und Darm
Gesunde, tierartgerechte und an das individuelle Leistungsniveau angepasste Ernährung ist gleichermaßen Grundvoraussetzungen für eine stabile Darmgesundheit wie auch für ein leistungsfähiges Immunsystem. Einen gesunden Darm kennzeichnet eine artenreiche Mikrobiota, die sowohl pathogene Keime in Schach hält, als auch wesentliche Stoffwechsel- und Entgiftungsfunktionen übernimmt und dabei die Energie für das Darmepithel produziert.
Stärkung des Immunsystems durch Pflanzen
Nahrungspflanzen: Nahrungspflanzen wie Obst und Gemüse interagieren direkt mit der Darmmikrobiota. Sie liefern dieser v.a. Ballaststoffe, die eine optimale Zusammensetzung der Mikrobiota begünstigen und regen die Peristaltik an. Eine reichhaltige Flora von Symbionten und Kommensalen wehrt als Platzhalter und durch ihre Stoffwechselprodukte pathogene Keime ab und entlastet dadurch das Immunsystem.
Arzneipflanzen: Sekundäre Pflanzenstoffe sind in der Lage, direkt über Rezeptoren auf Immunzellen einzuwirken und Immunreaktionen zu modulieren: Sie können sowohl überschießende Immunreaktionen hemmen, etwa bei Allergien, Autoimmunerkrankungen oder einer Sepsis, als auch Immunreaktionen anregen und verstärken, was bei Infektionen mit pathogenen Mikroorganismen wichtig ist.
Was wirkt?
Viele der traditionell zur Stärkung des Organismus eingesetzten Arzneipflanzen erweisen sich als immunmodulierend. Ihr reiches Inhaltsstoffspektrum führt zu der für Arzneipflanzen charakteristischen Breitbandwirkung. Synergien zwischen den Inhaltsstoffen einer Arzneipflanze oder einer Arzneipflanzenkombination erhöhen deren Effektivität und wirken positiv auf die Gesundheit. Hier einige Beispiele für wirksame Pflanzenstoffe:
Schleime: Schleime sind komplexe Polysaccharide, die mit Wasser spreitende Hydrokolloide bilden. Sie wirken einhüllend, lokal reizmildernd und antiphlogistisch. Sie unterstützen die mukoziliäre Clearance und regen die Regeneration der Schleimhaut an. Die in ihnen enthaltenen Arabinogalactane wirken immunstimulierend. Bei Infektanfälligkeit und Hyperreaktivität der Atemwege können schleimhaltige Arzneipflanzen als Prebiotika das darmassoziierte Immunsystem stärken. Zu den Polysaccharid-reichen Drogen gehören Bockshornsamen, Echinacea (Wurzel und Kraut), Eibischwurzel, Isländisch Moos, Königskerzenblüten, Malvenblätter und -blüten, Spitzwegerichblätter, Süßholzwurzel, Holunder- und Lindenblüten.
Saponine: Saponine sind sowohl wasser- als auch fettlöslich. Diese Bipolarität macht sie oberflächenaktiv. Sie wirken sekretolytisch, antiexsudativ, antientzündlich, antimikrobiell und immunstimulierend. Die sekretolytische Wirkung wird durch einen gastropulmonalen Reflex ausgelöst: Nach oraler Einnahme Saponin haltiger Tees oder Hustensäfte setzen die Saponine die Viskosität der Schleimschicht des Magens herab und machen diese Schutzschicht für Saponine partiell durchlässig. Infolge reizen die Saponine die in der Magenschleimhaut liegenden sensiblen Nervenendigungen des N. Vagus. Dieser aktiviert die Becherzellen der Bronchialschleimhaut, die daraufhin beginnen, dünnflüssigen Schleim zu produzieren. Dadurch werden die zähen Sekrete von der Bronchialschleimhaut gelöst und die Flimmerepithelien wieder freigesetzt (Vigl, 2024). Saponine finden sich z.B. in Bockshornsamen, Süßholzwurzel, Königskerzenblüten und Efeu.
Iridoide: Zahlreiche Iridoide können sowohl immunstimulierend wirken als auch überschießende Immunreaktionen hemmen. Derartige Iridoide sind z.B. in Enzian- und Wegerichgewächsen (Spitzwegerichblätter), Königskerzenblüten oder Teufelskrallenwurzel enthalten. Insbesondere die Iridoide der Teufelskrallenwurzel sind stark bitter, eine Eigenschaft, die umfangreiche Auswirkungen auf das Immunsystem hat. (siehe Hunderunden 32; 10,2024)
Alkamide: An der Immunsystem beeinflussenden Wirkung einiger Echinacea-Zubereitungen sind Alkamide beteiligt, die vermutlich über Endocannabinoid-Rezeptoren immunmodulierend wirken. Ihnen schreibt man auch antiphlogistische Wirkungen zu: Sie hemmen die 5-Lipoxygenase, Cyclooxigenasen und die Ausschüttung von Il-2 durch T-Zellen (Teuscher et al., 2020)
Pflanzliche Adaptogene: Zunehmende Infektanfälligkeit ist ein wesentliches Indiz dafür, dass chronische Stressreaktionen für den Organismus nicht mehr kompensierbar sind. Pflanzliche Adaptogene verbessern die Widerstandskraft des Organismus gegen physikalischen, chemischen, biologischen und psychischen Stress und wirken immunmodulierend. Zu den klassischen Adaptogenen gehören Ginseng (Panax ginseng) und Taigawurzel (Eleutherococcus senticosus). Auch diese Adaptogene enthalten u.a. Schleime und Saponine.
Direkte Unterstützung zentraler Organe: Zirkulierende ausscheidungspflichtige Stoffwechselprodukte alarmieren das Immunsystem. Durch Unterstützung von Leberstoffwechsel und Ausscheidung solcher Substanzen über Galle und Harn wird das Immunsystem entlastet. Hier können z.B. Mariendistel, Artischocke, Löwenzahn und Brennnessel eingesetzt werden. Die Ausscheidungsprozesse werden zudem durch optimale Durchblutung, insbesondere im Kapillarbereich unterstützt. Die Durchblutung verbessern u.a. Weißdorn und Ginkgo.
Der praktische Einsatz
Alle genannten Drogen sind auf dem veterinärmedizinischen Markt in vielen verschiedenen Kombinationen in Ergänzungsfuttermitteln erhältlich. Für die meisten Drogen gibt es bewährte Dosierungen (Tab. 1), die es ermöglichen, eine individuelle Rezeptur zu erstellen (Brendieck-Worm et al., 2021).
Literatur
- Brendieck-Worm C, Melzig MF (2021): Phytotherapie in der Tiermedizin. 2. Aufl., Thieme Verlag Stuttgart, New York
- Vigl S: Der gastropulmonale Reflex. Heilpflanzen 2024; 3: 28-29
- Teuscher E, Lindequist U, Melzig MF (2020): Biogene Arzneimittel. 8. Aufl., Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart