Rhodesian Ridgeback "Ghamina" – Hirntumor und epileptische Anfälle

Im Juni 2016 wurde mir Ghamina, eine 12 Jahre alte Rhodesian Ridgeback-Hündin, wegen des plötzlichen Auftretens von epileptischen Anfällen vorgestellt. Die Hündin, in unserer Praxis seit vielen Jahren bekannt, war bis dato außer an gewöhnlichen Bagatellproblemen (Lahmheiten, Durchfall u.a.) nie ernsthaft erkrankt. Allerdings war der Besitzerin seit April 2016 eine reduzierte Aktivität sowie eine Hinterhandschwäche, die mit Schmerzmitteln nicht zu bessern war, aufgefallen.

Ghamina hatte in der Nacht zuvor aus dem Schlaf heraus im Abstand von mehreren Stunden zwei kurze (ca. 2-minütige) Anfälle mit Bewusstseinsverlust, Rudern der Extremitäten, Speicheln und Schaumbildung am Fang gezeigt. Sie erholte sich jeweils sehr schnell (ca. 5 Minuten) und schien unbeeindruckt. Die besorgte Besitzerin hatte nach dem ersten Anfall einen Notdienst aufgesucht, der ihr ein Notfallmedikament rezeptierte. Am Folgetag kam sie zur Untersuchung in unsere Praxis. Allgemeine und kardiologische, sowie Laboruntersuchungen, und Röntgenaufnahmen waren unauffällig  bei der neurologischen Untersuchung fielen lediglich leicht reduzierte Stellungs-Haltungs-Reaktionen ( z.B. Überköten ) in der Hinterhand auf. 

Nun ist das Auftreten von mehreren Anfällen an einem Tag (Serie) bei einem älteren Hund, der zudem leichte neurologische Befunde aufweist, immer ernst zu nehmen und kein Fall, in dem man abwarten und beobachten sollte. Warum? Es waren doch nur zwei Anfälle…

Die „angeborene“, sogenannte idiopathische Epilepsie ist aufgrund des Alters unwahrscheinlich. Zumal andere organische Ursachen durch die Untersuchung ausgeschlossen werden konnten, ist es in so einem Fall gut möglich, dass die Ursache für die Anfälle „cerebral“ – also im Gehirn – zu finden ist. Die neurologischen Befunde können auf eine strukturelle Hirnveränderung hinweisen. Man spricht von einer symptomatischen Epilepsie. Somit wurde Ghamina sofort ein Antiepileptikum verordnet. Wegen geringer Nebenwirkungen, der relativ guten Verträglichkeit sowie einer schnellen Anflutung und einer geringen Anfallszahl haben wir uns in Ghaminas Fall für "Imepitoin" entschieden. Es wird zweimal täglich im Abstand von zwöf Stunden verabreicht.

Des weiteren wurde Ghamina zu einer MRT-Untersuchung des Gehirns überwiesen. Der Befund bestätigte den Verdacht, es wurde ein flächiger Tumor im linken Riechhirn diagnostiziert. Aufgrund der typischen Kontrastmittelaufnahme bestand Verdacht auf ein Meningeom - ein Tumor, der von den Hirnhäuten ausgeht. Es zeigte sich eine mäßige Wasseransammlung (Ödem) um den Prozess. Um diese zu verringern und auch, da die Wachstumstendenz von Meningeomen positiv beeinflusst wird, erhielt Ghamina zusätzlich zum Antiepielptikum ein Kortison. Eine Operation, die aufgrund der Lokalisation und Ausdehnung schwierig gewesen wäre, kam für die Besitzerin nicht in Betracht.

Der Verlauf
Ghamina entwickelte sich unter der Therapie sehr gut. Anfälle bleiben aus, ihre frühere Lebensfreude, die seit April 2016 abgenommen hatte, kehrte zurück. Die Waldspaziergänge konnten wieder ausgedehnter unternommen werden, und das Interesse an anderen Hunden wurde wieder wach. Die Besitzerin musste sogar wie früher achtsam sein, dass Ghamina ihren alten „Feindinnen“ nicht zu nahe kam, denn auch ihr Selbstbewusstsein kehrte zurück. All das war in den Monaten vorher ausgeblieben, man hatte aber nur gedacht „ der Hund wird eben alt...“ Wir kontrollierten Ghamina regelmäßig, die Kortisondosierung konnte bis auf ein Minimum reduziert werden, die Dosis des Antiepileptikums blieb konstant. Der Zustand des Hundes blieb ebenfalls konstant sehr gut.

Im November 2016 wurde ein Folge-MRT angefertigt. Das Meningeom hatte sich minimal um ca. 1 mm in jede Richtung ausgedehnt. Symptome zeigten sich am Hund dagegen nicht. Zu Weihnachten erfreute sich die Besitzerin an einem scheinbar völlig gesunden, 12-jährigen Rhodesian Ridgeback-Hündin - sie feierte die sechs Monate Lebensfreude seit der Diagnose!

Im Januar 2017 traten erstmalig wieder Anfälle auf, zwar von kurzer Dauer, kamen aber leider in Serie. Die Erhöhung der Erstmedikation "Imepitoin" konnte dies nicht eindämmen. Da dieses Medikament bekanntermaßen bei Serien zu schwach wirkt, wurde eine Zweitmedikation mit "Phenobarbital" begonnen. Die Kortisondosis wurde etwas erhöht.

Heute - IST-Zustand
Bis jetzt traten keine Anfälle mehr auf, Ghamina ist noch immer sehr munter und in einem erstaunlich guten Zustand. Die neurologischen Befunde haben sich nicht verschlechtert. Unter der Behandlung ist sie weder müde noch spielfaul, es können ausgedehnte Spaziergänge unternommen werden, und der Appetit ist natürlich sehr gut (in diesem Fall eine Nebenwirkung der Medikamente, die willkommen ist). Alles in Allem: eine weitere Prognose zu stellen ist zwar nicht einfach, aber dies ist ein Erkrankungsverlauf, der Mut macht! Wir wünschen Ghamina und Frauchen noch eine möglichst lange und tolle Zeit!