Hausmittel – ein Thema für die Tiermedizin?!

Cäcilia Brendieck-Worm, Niederkirchen.
In der Diskussion über ausufernde Kosten im Gesundheitssystem wird beklagt, dass es den Menschen zunehmend an Basiswissen zur Gesundheit fehlt und damit ein Mangel an Selbstverantwortung für die persönliche Gesundheit einhergeht. Das betrifft nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere in ihrer Obhut.
Woran liegt dieser Mangel an Selbstverantwortung?
Ist es das Krankenkassensystem, das dazu geführt hat, dass sich der Einzelne versorgt glaubt – nicht zuletzt, weil er die Kosten eigener Krankheit nicht mehr direkt und persönlich tragen muss? Liegt es am „Glauben“ an eine Medizin/Tiermedizin, die das schon in Ordnung bringen wird? Die probaten Hausmittel, die noch in der Eltern- und Großelterngeneration zum Einsatz kamen, geraten jedenfalls in Vergessenheit oder werden geringgeschätzt. Bereits bei Bagatellen wird medizinische Hilfe in Anspruch genommen.
Gute Gründe für selbstverantwortliche Gesundheitsfürsorge
Es gibt derzeit viele Gründe, in Bezug auf die eigene Gesundheit und die seiner Haustiere wieder selbst aktiv zu:
- Wartezeiten bei Ärzt:innen und Tierärzt:innen
- Lieferschwierigkeiten bei Arzneimitteln
- Kostensteigerungen bei Therapien und Arzneimitteln
- Resistenzentwicklungen gegen Antibiotika bei Infektionserregern
- Wirkungsverluste bei Antiparasitika
- Chronifizierung von Erkrankungen und unerwünschte Nebenwirkungen durch Langzeit- und Dauermedikationen mit Arzneimitteln.
Es lohnt sich also, alles daran zu setzen, gesund zu bleiben, bzw. bei ersten Symptomen eigenverantwortlich gegenzusteuern.
Voraussetzungen für selbstverantwortliche Gesundheitsfürsorge
Selbstverantwortliche Gesundheitsfürsorge setzt allgemeinverständliche Vermittlung des Wissens über Zusammenhänge voraus - etwa zwischen Ernährung und Darmgesundheit, Darmgesundheit und Immunsystem, Immunsystem und Stress. Wer solche Zusammenhänge versteht, bzw. erklärt bekommt, erkennt meist auch den Wert von Hausmitteln. Diese haben sich letztlich in Zeiten fehlender medizinischer Versorgung der einfachen Bevölkerung aus der praktischen Erfahrungs- und Volksheilkunde entwickelt und haben eine lange Anwendungstradition.
Hausmittel – sofort zur Hand
Als Hausmittel werden Zubereitungen aus Pflanzen und Bestandteilen tierischen und mineralischen Ursprungs aus dem häuslichen Umfeld verstanden, die vom Laien selbst hergestellt werden. Die Zubereitungsarten werden zumeist innerhalb der Familie weitergegeben, sind aber auch in der Literatur festgehalten (Brendieck-Worm et al., 2016). Hausmittel dienen der Linderung akuter und chronischer Beschwerden, können bei leichten Gesundheitsstörungen einen Arzt- oder Tierarztbesuch erübrigen oder als Erste Hilfe die Zeit bis zur medizinischen Versorgung überbrücken.
Gewürze als Basis für Hausmittel
Einer der berühmtesten Ärzte der Antike, Hippokrates von Kos, soll gesagt haben: „Eure Nahrungsmittel sollen Heilmittel - und eure Heilmittel sollen Nahrungsmittel sein.“ Nach seiner Überzeugung haben letztlich alle Erkrankungen ihren Ursprung im Darm und lassen sich auf eine fehlerhafte Ernährung zurückführen. Zu den Nahrungsmitteln, die dem Anspruch gerecht werden können, Heilmittel zu sein, zählen die Gewürze. Im Gegensatz zu den Wildgemüsen wurden Gewürze größtenteils nicht züchterisch bearbeitet und haben ihren Reichtum an sekundären Pflanzenstoffen erhalten.
Gewürzschrank als Hausapotheke
Ein gut sortierter Gewürzschrank ist eine gute Hausapotheke, vorausgesetzt, die Gewürze werden als Ganzes kühl, dunkel und trocken gelagert. Denn nur so bleiben ihre zumeist flüchtigen Inhaltsstoffe optimal erhalten. Werden Gewürze erst unmittelbar vor der Verwendung zerkleinert, kommt dies sowohl den mit ihnen gewürzten Speisen zugute, als auch den frisch zubereiteten Hausmitteln. Hier einige Beispiele, die für Tierbesitzer:innen und Hunde gleichermaßen geeignet sind:
- Ein Tee aus Kümmelfrüchten wirkt karminativ und spasmolytisch: ½ TL Kümmel quetschen, mit 250 ml kochendem Wasser übergießen, zugedeckt 10 Minuten ziehen lassen.
- Ein Thymiantee unterstützt das Abhusten zäher Schleime in den oberen Atemwegen: 1 gehäuften TL Thymiankraut mit 250 ml kochendem Wasser übergießen, zugedeckt 10 Minuten ziehen lassen.
- Wacholderbeeren regen die Durchblutung der Harnwege und folglich die Harnbildung an. Dadurch werden bei Harnwegsinfekten die uropathogenen Bakterien ausgespült und die Selbstheilungskräfte unterstützt: 1 TL unmittelbar zuvor gequetschter Wacholderbeeren mit 250 ml kochendem Wasser übergießen, zugedeckt 10 Minuten ziehen lassen.
Gewürze sollten grundsätzlich aus biologischem Anbau stammen.
Tees als Hausmittel nutzen
Diverse Teesorten lassen sich nicht nur als Genuss-, sondern auch als Hausmittel nutzen. Das setzt selbstverständlich eine hohe Qualität der Teedrogen voraus.
- Ein langgezogener schwarzer oder grüner Tee hilft bei Durchfall.
- Eine mit Schwarztee, Kamillen- oder Fencheltee getränkte Kompresse lässt ödematöse Konjunktiven abschwellen (Hunderunden #26, Juli 2023).
- Kamillentee hat sich bei Magenproblemen bewährt (Hunderunden #16, Aug/Sept 2021).
- Kamille hilft als Dampfinhalation bei Infektionen der oberen Atemwege (Hunderunden #17, Okt/Nov 2021)
Der Nutzgarten als Quelle für Hausmittel
Nutzgärten sind in unserer Kultur selten geworden. Petersilie, Liebstöckel, Karotten, Weißkohl etc. können als schnell verfügbares Hausmittel dienen.
- Alle Tiermediziner:innen können sich von der Wirksamkeit einer Moro‘schen Karottensuppe bei Durchfall überzeugen (Hunderunden #29, März 2024).
- Petersilie – frisch dem Futter zugesetzt oder als Tee - wirkt durchspülend bei Harnwegsinfekten: 1-2 TL Petersilienkraut oder Petersilienwurzel kurz zuvor sehr klein schneiden, mit 250 ml kochendem Wasser übergießen, zugedeckt 10 Minuten ziehen lassen.
- Für die gleiche Indikation lässt sich auch Tee aus Liebstöckel einsetzen: 1-2 TL Liebstöckelwurzel kurz zuvor sehr klein schneiden, mit 250 ml kochendem Wasser übergießen, noch einmal kurz aufkochen und zugedeckt 10 Minuten ziehen lassen.
- Weißkohlauflagen helfen bei Abszessen und infiziertem Zwischenzehenekzem des Hundes: Kohlblätter ohne Mittelrippe quetschen oder schreddern, auf ein Tuch geben und auflegen. (Brendieck-Worm et al., 2018; Brendieck-Worm et al., 2021)
Beispiele für Hausmittel aus tierischen Bestandteilen
Ein kühler Quarkwickel lindert Schwellung und Schmerz nach Prellungen oder bei einer Mastitis.
Honig ist ein hervorragendes Wundheilmittel und kann bei nahezu allen Wunden als desinfizierende und heilungsfördernde Auflage eingesetzt werden (Hunderunden #31, Juli 2024).
Hausmittelanwendung – allein Sache der Tierhalter:innen?
Aus eigener praktischer Erfahrung möchte ich dafür plädieren, die Tierhalter nicht mit „Doc Google“ allein zu lassen, sondern sie kompetent zu beraten. Für die wichtigsten Indikationen lassen sich Anleitungen für die Zubereitung von Hausmitteln zur Abgabe oder telefonischen Weitergabe an den Tierhalter vorbereiten. Es gibt zahlreiche Situationen, in denen diese Hilfe zur Selbsthilfe Entspannung in das Tierarzt-Tierhalter-Verhältnis und damit den Praxisalltag bringt.
Viele Tierhalter:innen fragen direkt, was sie tun können, um ihren Tieren zu helfen und sind dankbar für einen Rat. Mit Sachverstand gewählte Hausmittel sind sinnvoll und helfen die Wartezeit auf einen Termin oder Laborergebnisse zu überbrücken, etwa bei Harnwegsinfektionen oder chronischen Wunden. Die Möglichkeit, Hausmittel einsetzen zu können, kommt der Erwartung der Tierhalter:innen entgegen, dass sofort etwas getan werden muss. Bleiben Hausmittel unberücksichtigt, kann diese Erwartungshaltung der Tierbesitzer:innen die Veterinärmediziner:innen mangels Alternative dazu verleiten, Arzneimittel einzusetzen, deren Nutzen-Risiko-Verhältnis in diesem Fall unangemessen ist.
Die Grenzen der Hausmittelanwendung
Zur sachkundigen Beratung gehört selbstverständlich auch der Hinweis auf die Grenzen der Hausmittelanwendung. Keinesfalls darf durch sie bei anhaltender Symptomatik eine notwendige Konsultation in der tierärztlichen Praxis verschleppt werden.
Literatur
- Brendieck-Worm C, Klarer F, Stöger E: Heilende Kräuter für Tiere. 2. Aufl., Haupt Verlag Bern, 2018
- Brendieck-Worm C, Melzig MF (Hrsg.): Phytotherapie in der Tiermedizin. 2. Aufl., Thieme Verlag, Stuttgart 2021