Dermoid - ​Loui und sein ständig entzündetes Auge

Loui ist eine quicklebendige zehn Monate alte französische Bulldogge, die mir in der normalen Augensprechstunde aufgrund einer Trübung und eitrigen Sekretion des rechten Auges vorgestellt wurde. Immer wieder floss Schleim und zuletzt auch Eiter aus dem Auge. Der Hund musste das Auge zusammenkneifen, damit der Zustand erträglicher wurde. Zudem meinten die Besitzer Haare aus dem Auge wachsen zu sehen - aber kann dies wirklich sein???

Um eine komplette Augenuntersuchung kommt man nicht herum. Hierzu gehört eine sogenannte Spaltlampenuntersuchung, um die vorderen Augenabschnitte wie Lider, Bindehaut, Hornhaut und Linse zu beurteilen und eine Untersuchung der Netzhaut und des Sehnervs mittels einer speziellen Lichtquelle und einer Linse (indirekte oder direkte Ophthalmoskopie). Zusätzlich sollte bei jedem Tier der Augeninnendruck gemessen werden. Alle Untersuchungen werden mit mobilen Geräten durchgeführt und sind nicht schmerzhaft. Auch Loui war ganz verdutzt als er sein Belohnungsleckerli erhielt, die Untersuchung beendet und nicht einmal unangenehm war.

Wie lautet die Diagnose?

Die Trübung/Pigmentierung auf dem rechten Auge stellte sich schnell als ein sogenanntes Dermoid heraus. Auch die Einschätzung des Besitzers, dass dort Haare wachsen, war richtig. Ansonsten zeigten Louis Augen keinerlei weitere Auffälligkeiten. Ein Dermoid stellt eine angeborene, „versprengte“ Hautanlage dar, d.h. es wächst Haut mit teils Haaren, Schweißdrüsen, evt. Knorpel, Bindegewebe und Blutgefäßen an Stellen, an denen keine Haut vorgesehen ist. Am Auge zeigt sich dies typischerweise an der eigentlich transparenten Hornhaut und der Bindehaut. Manchmal sind auch die Lider davon betroffen. Ein Dermoid ist immer angeboren und entwickelt sich bereits im Mutterleib durch eine gestörte Embryonalentwicklung. Da Hunde ihre Augen erst 14 Tage nach der Geburt öffnen, fällt es zunächst nicht sofort auf.  Haare müssen nicht von Beginn zu sehen sein und können erst mit der Zeit wachsen. Abgesehen davon, dass –  je nach Größe des Dermoids - mit einer gewissen Sehfeldeinschränkung gerechnet werden muss, irritieren die Haare die Hornhaut, führen zu Rötungen, eitriger Sekretion, chronischen Hornhautentzündungen und Vernarbungen. Deshalb ist in aller Regel eine Operation erforderlich.

Loui braucht eine Operation...
Das Dermoid muss einfach gesagt operativ entfernt werden. Betrifft das Dermoid die Hornhaut wird eine sogenannte lamelläre Keratektomie durchgeführt. Hierbei ist – wie bei allen Augenoperationen - ein sehr präzises Vorgehen wichtig, daher wird die Operation unter einem Mikroskop in Vollnarkose durchgeführt. Die Hornhaut ist zwischen 0,5 und 0,7 mm dick und wird durch die Operation noch weiter in ihrer Dicke reduziert. Ist das zurückbleibende Gewebe zu sehr geschwächt, muss die Hornhaut mit einem Transplantat aufgefüllt werden. Meist wird hierfür die körpereigene Bindhaut verwendet. Daher kann die Operationszeit bis zu einer Stunde dauern. So auch bei unserem Patienten Loui. Der Patient erhielt zunächst eine leichte Sedation in die Vene, wurde schläfrig und dann intubiert, so dass eine permanente Versorgung mit Sauerstoff und Narkosegas gewährleistet werden konnte. Eine Inhalationsnarkose stellt ein sehr schonendes Anästhesieverfahren dar, welches eine schnelle, aber ruhige Aufwachphase ermöglicht und stufenlos angepasst werden kann. Während der gesamten Narkosezeit war Loui an einen Überwachungsmonitor mit EKG, Sauerstoffsättigung, CO2-Messung, Temperaturüberwachung etc. angeschlossen und erhielt eine Infusion. Nach der Operation musste der Hund einen Plastikhalskragen tragen, was ihm zugegebenermaßen missfiel. Dennoch ist es gerade bei Augenoperationen wichtig, einen ausreichend großen Halskragen zu tragen, um Scheuern und Reiben und somit Lösen der Fäden zu verhindern. Zudem erhielt der Patient antibiotische Augentropfen und ein Schmerzmittel. Zehn Tage nach der Operation fand die letzte Kontrolle statt – das Auge der französischen Bulldogge zeigte sich reizlos und gut verheilt. Das Transplantat war gut eingewachsen und reizlos und Loui konnte endlich von seinem Halskragen befreit werden. 

Seine glücklichen Besitzer verrieten: „So schlimm war es nun auch wieder nicht. Was sind 10 Tage Kragenpflicht gegen ein nun reizfreies und sehendes Auge?“