Canine Demodikose bei Boxerhündin Curly - „Jedes Leben zählt“

Es liegen wahrscheinlich den meisten Tierärzten vor allem die Patienten am Herzen, denen sie das Leben gerettet haben. Curly, eine zehnjährige weiße, 29 Kilogramm schwere, kastrierte Boxerhündin ist ein solcher Fall, obwohl die Hündin „nur“ ein Hautproblem hatte. Zwar machte Curly zunächst einen munteren Eindruck, doch hatte sie sich große zusammenhängende Areale ihres Körpers wundgekratzt. Die Haut war nicht nur haarlos, sondern auch eitrig entzündet und voller Exkoriationen. Curly trug einen weißen Halskragen, der deutliche Abnutzungsspuren hatte, da er schon monatelang im Einsatz war. Die Besitzer berichteten, dass sie bereits zweimal kurz davorstanden, den Hund wegen des offensichtlichen Hautproblems einschläfern zu lassen, weil der ständige Juckreiz für beide Seiten unerträgliche Ausmaße angenommen hatte.

Die Vorgeschichte ...

Curly trug seit sechs Monaten fast dauerhaft einen Halskragen, um die Gefahr der Automutilation durch Lecken und Beißen wenigstens etwas einzuschränken. Curlys Besitzer erzählten, dass sie vor sieben Monaten eine kleine haarlose Stelle am Fang direkt unter dem Auge gehabt hatte, die die Tierärztin vor Ort initial mit einer cortisonhaltigen Salbe behandelt hatte. Als die Stelle daraufhin nicht kleiner, sondern eher größer geworden war, hatten sie die Hündin in der örtlichen Klinik vorgestellt. Dort hatte man in einen Geschabsel Demondex-Milben festgestellt und ihnen ein Spot-on-Präparat (Advocate) zum Auftragen im Vier-Wochen-Abstand mitgegeben. Da der Juckreiz nach dem Aufträufeln der ersten Ampulle initial sogar stärker geworden war, brachen sie die Behandlung damit ab. Außerdem hatte man in der vorbehandelnden Klinik einen Serum-Allergietest durchgeführt und hierdurch eine Hausstaubmilben-Allergie festgestellt, die direkt mit Cortison-Tabletten behandelt wurde. Da das Cortison jedoch laut Meinung des vorbehandelnden Kollegen nicht ausreichend griff, wurde stattdessen ein Cicolsporin-Präparat verordnet. Als Juckreiz und Haarausfall unter dieser Therapie immer massiver wurden, wurde schließlich Kortison mit Ciclosporin kombiniert und die Dosis schrittweise erhöht.

Die Untersuchung in unserer Praxis ergab, dass das Allgemeinbefinden „ohne besondere Befunde“ war. Der Hund war munter und interessiert. Sichtbare Schleimhäute waren ggr. anämisch, und die mandibulären Lymphknoten waren beidseits gering- bis mittelgradig umfangsvermehrt. Alle anderen palpierbaren Lymphknoten waren unverändert. Es fiel eine mottenfraßähnliche Alopezie in weiten Körperbereichen auf. Besonders kritisch waren die Exkoriationen v. a. im Hals/Kopf- und Rumpfbereich, da diese bei Berührung und bei der Entnahme des Geschabsels sofort bluteten. Ein direkt angefertigtes Hautgeschabsel war stark positiv auf Demodex-Milben. Es wurden sowohl ein Haut-, als auch ein Ohrtupfer für eine bakteriologische Untersuchung entnommen. Außerdem erfolgte eine Blutentnahme für ein Geriatrieprofil. Die klinische Chemie war unauffällig. Im weißen Blutbild zeigte sich eine Leukozytose (15,3 G/l) mit Kernlinksverschiebung, im roten Blutbild ein ggr. erniedrigter Hämatokrit (0,4 l/l). Im Hauttupfer wurden hochgradig Staphylococcus pseudointermedius, sowie hochgradig E. coli nachgewiesen.

Die Diagnose: generalisierte Demodikose mit hochgradiger Pyodermie.

Es erfolgte eine Antibiotika-Therapie gemäß Resistenztest, wobei ausschließlich Cefovecin wirksam bei beiden Erregern war. Unterstützend erfolgten zu Hause Waschungen mit Amitraz, und zwar wöchentlich über sechs Wochen, dazu Doramectin initial dreimalig subcutan und danach oral einmal wöchentlich über sechs Wochen. Sowohl die Risiken der Anwendung von Amitraz, als auch die Umwidmung von Doramectin wurden selbstverständlich mit den Tierbesitzern erläutert. Danach erfolgte eine Anschlussbehandlung mit Fluralaner (Bravecto) oral. Im weiteren Verlauf wurde wöchentlich eine Therapiekontrolle mittels Hautgeschabsel durchgeführt. Es konnte hierdurch eine vollständige Abheilung der betroffenen Stellen innerhalb von 16 Wochen konstatiert werden.

Nach weiteren zehn Wochen wies Curly wieder ggr. Alopezie und nachfolgend Pruritus im Hals-Brust-Bereich, in dem die Symptomatik von Anfang an am stärksten war, auf. Nach Gabe von Fluralaner (Bravecto) trat kein Juckreiz mehr auf, und es kam zum Nachwachsen der Haare. Die Besitzer wünschten keine weitere Diagnostik zur Veränderung der Mandibularlymphknoten, welche weiterhin persistierte.

Die Therapie von Hauterkrankungen erfordert ein strategisch durchdachtes diagnostisches Procedere und während einer Therapie sollte der zugrundeliegende Plan stetig dem Behandlungserfolg angepasst werden."

Dr. Tanja Barke, Tierärztin

Mehr als drei Jahre nach Therapiebeginn und im Alter von knapp 14 Jahren ist Curly immer noch relativ vital. Bedauernswert an dem beschriebenen Verlauf der Hauterkrankung ist letztlich, dass die Kollegen, die initial mit dem Fall befasst waren, nicht die dramatische Wirkung von Cortison bei der vorliegenden Grunderkrankung kalkuliert haben. Curly hat für eine generalisierte Demodikose nicht das „typische“ Alter, allerdings steht zu vermuten, dass sich, begünstigt durch die Cortison-Therapie, aus einer lokalisierten Demodikose letztlich erst die generalisierte Demodikose entwickeln konnte, da bekanntermaßen jegliche Immunsuppression das Auftreten einer solchen Erkrankung begünstigt. Die als behandlungsbedürftig eingestufte „Hausstaubmillben-Allergie“ bereitete jedenfalls nach Therapie der Demodikose keinerlei Probleme mehr. Dies mahnt dazu, die Ergebnisse von Allergietests sorgsam und im Kausalzusammenhang zu interpretieren. Bei der Demodikose ist der Juckreiz sekundär und kommt durch den durch die Milben verursachten Haarausfall zustande. Durch Juckreiz wiederum entstehen Hautinfektionen und die daraus resultierenden Pyodermien unterhalten dann den Juckreiz – ein Teufelskreis. In diesem Fall war sicher neben der Grundursache Demodikose die hochgradige Pyodermie eine der Ursachen für das Auftreten des massiven Juckreizes bei Erstvorstellung.

FAZIT

Die Therapie von Hauterkrankungen erfordert ein strategisch durchdachtes diagnostisches Procedere und während einer Therapie sollte der zugrundeliegende Plan stetig dem Behandlungserfolg angepasst werden, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Es wäre doch jammerschade und fachlich falsch gewesen, Curly an jenem Tag vor dreieinhalb Jahren einzuschläfern, auch wenn ihr Zustand dies damals absolut gerechtfertigt hätte.