Nichtinvasive Untersuchungsmethode zur Feststellung und Gradierung der BOAS

Charanthorn Levicar, Duisburg & Pia Saskia Wiegel, Seelze
Im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit der führenden europäischen Mitglieder der FCI hat die VDH erfolgreich die Umsetzung des Respiratory Function Grading Scheme (RFGS, Cambridge-Test) der Universität Cambridge befürwortet. Alle nationalen Kennel Clubs in Europa werden die RFGS als wichtigen Teil der Zuchtentscheidungen für Möpse, Bulldogs und französische Bulldoggen einführen. Der Test wird von zertifizierten Tierärzt:innen in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern angeboten (www.vdh.de/service/cambridge-test).
Das Respiratory Functional Grading Scheme der Universität Cambridge (RFGS) ist eine nichtinvasive Untersuchungsmethode zur Feststellung und Gradierung eines Brachycephalen Obstruktiven Atemwegsyndroms. Es kann als Grundlage für Zuchtentscheidungen genutzt werden und bei der Entscheidung, ob bei betroffenen Hunden ein chirurgisches Eingreifen notwendig ist, herangezogenwerden.
Wie lässt sich das Brachycephale obstruktive Atemwegssyndrom (BOAS) feststellen?
Häufig wurden in der Vergangenheit anatomische Faktoren wie die Craniofacial-Ratio (Verhältnis der Nasenlänge zur Gesamtschädellänge) oder eine Stenose der Nares als Marker für das Vorliegen der Erkrankung verwendet. Diese anatomischen Marker haben sich in verschiedenen Studien als weitgehend unzuverlässige Grundlage für die Feststellung der Erkrankung erwiesen. Zum einen werden viele relevante Engstellen der Atemwege durch diese Untersuchungen nicht erfasst, so dass betroffene Hunde mittels dieser anatomischen Marker nicht erkannt werden. Zum anderen gibt es auch Hunde, die trotz genannter anatomischer Faktoren keine Einschränkungen der Atmung zeigen. Andere Untersuchungsmethoden wie die Durchführung einer Computertomographie zur Beurteilung der anatomischen Läsionen oder der Ganzkörper-Plethysmographie sind aufwändig, in Teilen mit der Durchführung einer Narkose verbunden und erlauben auch nicht in allen Fällen eine korrekte Einstufung der Patienten.
Als eine einfach durchführbare und sehr aussagekräftige Methode hat sich in der Praxis die Durchführung submaximaler Belastungstests herausgestellt. Bei diesen Tests werden die Hunde vor und nach einer submaximalen Belastung (in der Regel Laufen in einem bestimmten Tempo über einen vordefinierten Zeitraum) von Tierärzt:innen untersucht. Dabei werden unter anderem die mit und ohne Stethoskop hörbaren Atemgeräusche ausgewertet. Um eine solche Untersuchungsmethode handelt es sich auch beim RFGS der Universität Cambridge. Vorteile dieser Untersuchung sind ein stark standardisiertes Vorgehen, eine weite internationale Verbreitung und eine große Menge an Studien, die die Aussagekraft der Methode in der Praxis bestätigt haben. Vor diesem Hintergrund ist die Methode gut geeignet, um möglichst weitflächig angewandt zu werden. Auch eine einheitliche Auswertung Ergebniserfassung sollte bei dem Test darüber sichergestellt sein, dass nur Tierärzt:innen, die eine spezielle Fortbildung zur Durchführung der Untersuchung absolviert haben, Untersuchungszertifikate ausstellen dürfen.
Wie läuft das RFGS (Cambridge-Test) ab?
Der Test wird von zertifizierten Tierärzt:innen in Deutschland angeboten. Die Hunde müssen für eine Untersuchung ein Mindestalter von 12 Monaten aufweisen. Eine Testung unter dem 12. Lebensmonat kann bei Bedarf, jedoch ohne entsprechendes Zertifikat, vorgenommen werden. Nach Aufnahme der Daten wird der Hund zunächst in Ruhe klinisch untersucht. Hierbei wird ein besonderer Fokus auf die Atmung, inklusive Abhören des Herzens, der oberen und unteren Atemwege, gelegt. Zusätzlich werden Körpergewicht, Body Condition Score (Normal- oder Übergewicht), mögliche Engstellungen der Nasenlöcher beurteilt, und weitere Auffälligkeiten festgehalten. Anschließend findet eine 3-minütige Belastung in einem zügigen Trab statt. Dies kann draußen oder in der Praxis/Klinik erfolgen. Im direkten Anschluss an die Belastung wird die Atmung erneut beurteilt. Der Hund wird jedoch nicht belastet, falls er bereits in Ruhe starke BOAS-Symptome aufweist, oder vorberichtlich bereits Blaufärbungen (Zyanosen) oder Ohnmachtsanfälle (Synkopen) erlebt hat. In solchen Fällen muss der Hund direkt mit dem höchsten BOAS-Grad 3 bewertet werden. Die Kombination der Ergebnisse in Ruhe und nach Belastung ergeben dann den entsprechenden klinischen Grad der Beeinträchtigung durch BOAS. Dies wird auf dem Zertifikat vermehrt. Ebenso wird bei Bedarf, zum Beispiel nach Reduktion starken Übergewichtes, eine erneute Testung vorgeschlagen. Das Zertifikat ist zwei Jahre gültig, danach muss der Hund erneut getestet werden. Die Untersucher:innen melden die Testung inklusive der Ergebnisse an eine interne Datenbank des VDH. In der Regel dauert die Untersuchung eines Hundes etwa 20 Minuten.
Hunde, die als Grad 3 eingestuft werden, zeigen starke BOAS-Symptome
Beim RFGS werden die Hunde in vier unterschiedliche Grade (0 bis 3) von klinischer Betroffenheit von BOAS eingeteilt. Grad 0 ist das beste, Grad 3 das schlechteste Ergebnis. Ein Hund, der in Grad 0 eingeteilt wurde, zeigt keinerlei Anzeichen von BOAS. Es sind also keine Atemgeräusche, oder Beeinträchtigungen der Atmung durch Belastung zu erkennen. Da die Erkrankung im Alter voranschreiten kann, sollten diese Hunde trotzdem regelmäßig untersucht werden, insbesondere wenn sie noch unter 2 Jahre alt sind. Ein Hund, der als Grad 1 einzustufen ist, zeigt lediglich nach Belastung leichte Atemgeräusche. Man geht davon aus, dass der Hund mit Grad 1 keine klinische Beeinträchtigung hat. Wie bei Hunden mit Grad 0 macht eine Wiederholung der Untersuchung nach 2 Jahren Sinn. Bei Hunden, die in Grad 2 eingeteilt werden, sind bei gründlicher Untersuchung bereits im Ruhezustand Zeichen von BOAS zu erkennen. Diese können sich unter Belastung noch verstärken. Ab Grad 2 ist von einer mehr oder weniger ausgeprägten gesundheitlichen Beeinträchtigung auszugehen und in der Regel ist eine Behandlung notwendig. In manchen Fällen reicht eine Gewichtsreduktion aus, aber es gibt auch Hunde, die operiert werden müssen. Hunde, die als Grad 3 eingestuft werden, zeigen starke BOAS-Symptome. Fast immer ist bei Grad 3 eine BOAS-Chirurgie notwendig, um die Atmung der Hunde zu verbessern. Sie sollten auf keinen Fall zur Zucht eingesetzt werden – auch nicht in Verpaarung mit BOAS-freien Hunden.
SAVE THE DATE
Die nächste Fortbildung für Tierärzt:innen zum Respiratory Function Grading der Uni Cambridge (Cambridge-Test) findet am 11.11.2025 statt.