Machen ist wie wollen - nur krasser!
"Machen ist wie wollen - nur krasser!" Dieser Spruch wurde mir eines morgens auf meiner Alexa-Echo-Show zugespielt und kann vielleicht auch als Auftrag für eine Gedankenreise in die Zukunft der Tiermedizin gelten.
Ganz kurz zu mir: Ich habe ein recht bewegten Lebenslauf - sowohl beruflich als auch privat - was damit zusammenhängt, dass ich vielseitig interessiert, kreativ und offen für Veränderungen bin und permanent darüber nachdenke, Dinge zu verbessern. Das macht es sicherlich nicht immer leicht, mit mir zu arbeiten oder zu leben, andererseits ist es genau der Auslöser, eben nicht still zu stehen sondern immer wieder Neues auszuprobieren. Dabei möchte ich Ideen nicht immer gleichdenken, denn am ehesten weiß man, ob Dinge funktionieren, wenn man’s einfach mal macht.
In der heutigen Zeit ist es durchaus möglich, einfach mal etwas zu versuchen, um dann festzustellen, dass es nicht funktioniert und es dann einfach anders zu machen. Wir leben in einer agilen Gesellschaft, und auch wenn Konstanten Menschen Sicherheit geben, ist die permanente Veränderung aktuell eines der wesentlichen Merkmale der Zeit. Ich will gar nicht so philosophisch werden, sondern an dieser Stelle immer wieder darüber berichten, was ich in meiner Praxis im Rahmen der Optimierung - insbesondere digital - ausprobiert habe, um vielleicht Kolleg:innen dazu zu ermutigen, ebenfalls frische Ideen zu entwickeln.
ALEXA
"Machen ist wie wollen - nur krasser!" steht also morgens auf meinem Digital Device. Bei der ersten Tasse Kaffee überlege ich, ob Alexa nicht eine gute Idee in der Praxis wäre, um in jedem Raum die Möglichkeit zu bieten, per Sprachsteuerung das Licht anzuschalten, mit den anderen Räumen zu kommunizieren und vielleicht in Zukunft auch die Praxismanagement-Software zu bedienen. Also schnappe ich mir im Angebot ein Dutzend Alexas und installiere sie. Mein in dieser Hinsicht leidgeprüftes Team war ein bisschen irritiert, darüber hinaus jedoch kennen sie mich und meine "Spielereinen". Die Einrichtung der kleinen schwarzen Dose gestaltete sich recht einfach - ich war hellauf begeistert, wie schnell die Geräte in allen Räumen installiert werden konnten. Sinnreiche und gut zu merkende Namen wurden vergeben, um die Kommunikation mit den verschiedenen Räumen zu gewährleisten. Die Konten wurden verknüpft und währenddessen fing ich natürlich an darüber nachzudenken, warum es (noch) keinen Vetidata-Skill oder ähnliches gibt. Es wäre doch super, wenn man in der Behandlung fragen könnte: „Wie war noch mal die Dosierung von Medikament X oder Y?“. Also wieder etwas, was nicht ganz zu Ende gedacht ist. Bevor ich weitere Skills suche und weiter enttäuscht werde, habe ich noch schnell zumindest den Zeiterfassungs-Skill, das Doccheck-Flexicon und selbstverständlich den Ego-Booster installiert (schadet nie 😉). Parallel dachte ich darüber nach, selber einen Skill zu programmieren, mit dem ich Daten in meine Praxis-Management-Software per Stimme transferieren könnte. Aufgrund nicht offener Schnittstellen habe ich diese Idee zunächst verworfen, gebe aber trotzdem allem die Chance, sich im Praxisbetrieb bewähren.
Im privaten Haushalt habe ich ja meine ersten Gehversuche mit Alexa gemacht. Die ein oder andere Beleuchtung hört nun meistens aufs Wort und aktuelle Wetterberichte, sowie Infos zu meinen Online-Bestellung lassen sich nun in verschiedenen Räumen abrufen. Und Musik. Ich glaube so oder so, das Alexa vor allem ein Multi-Room-Musikplayer mit eher mittelprächtigem Sound ist, der eben auch noch eine gewisse Intelligenz hat. Doch kommt es ab und zu vor, dass sie nicht so intelligent reagiert, wie man es eigentlich von ihr erwartet. Manche Skills sind so schlecht programmiert, dass ich vieles dann doch auf althergebrachte Weise mache.
WAS IST GUT: Ich habe Musik überall. Ich muss auch nicht unbedingt mehr zum Lichtschalter robben, wenn ich nach einem langen Praxistag das Sofa erklommen habe. Aber viel mehr nutze ich privat letztlich nicht. Trotzdem oder vielleicht genau deshalb könnte es ja nun in der Praxis funktionieren.
Meine Idee war, überall seichte Hintergrundmusik zu haben, die Nutzung der „Drop In“-Gegensprechfunktionalität, aber auch die Möglichkeit, Büromaterial direkt nachzubestellen (wer hätte das gedacht, das funktioniert natürlich problemlos). Außerdem wollte ich die Beleuchtung integrieren, so dass man, wenn man behandelt und keine Hand frei hat, diese steuern kann. Oder auch die TFA oder die Kolleg:innen zu Hilfe „rufen“ oder vielleicht ganz neue Möglichkeiten entdecken, wie Alexa das Leben von uns Tierärzt:innen erleichtern kann.
Ich nehm's mal vorweg: Heute ist keine Alexa mehr im Einsatz!
Warum? Die Einrichtung klappte, wie bereits erwähnt, soweit problemlos. Auch die Anbindung von Beleuchtung oder anderen Gadgets ging ganz gut. Was aber immer wieder gestört hat war das „Alexa…… mach bitte dies, mach das!“. Das sorgte bei wenig technik-affinen Besitzer:innen und dem, gesamten Praxisteam für Irritationen, denn Alexa hat auch hier ihre Zickigkeit beibehalten und einfach mal nicht richtig „zugehört“. Daraus entstanden dann oft so skurrile Szenen, wie z.B. die folgende:
- Ich: „Alexa! Drop In Anmeldung“ - Alexa: „Tut mir leid, ich habe das nicht richtig verstanden.“
- Ich (lauter): „Alexa! Drop In Anmeldung“ - Alexa: „OK!“
- Aus dem Lautsprecher kommt Geraschel.
- Ich: „Hallo“- Es folgt Lautsprechergekruschel, dann: "Hä? Hallo?“
- Ich: „Ja ich hier. Über Alexa. Kannst Du bitte den nächsten Patienten reinschicken“
- Lautsprecher: „Was soll ich? Moment, ich hab hier noch jemanden an der Anmeldung stehen“
- Ich: „Alexa! Drop In Ende“ - Alexa: "tut mir leid, ich habe das nicht richtig verstanden“
- Aus dem Lautsprecher kommt Geraschel und Gemurmel, ich hole Luft, um meinen "Befehl" zu wiederholen, da kommt aus dem Lautsprecher: „Chef, Moment, hier STEHT NOCH JEMAND AN DER ANMELDUNG“
- Ich (sehr laut): „Alexa, Drop In Ende oder ich schmeiß' dich raus“
- Aus dem Lautsprecher: „Was? Rausschmeißen?“
- Um weitere Dramen zu verhindern, brülle ich „Alexa! Stop“ - Und Alexa säuselt süffisant: „Ok“
- Ich: „Alexa! Da reden wir noch mal drüber!“
Daraufhin verließ ich das Behandlungszimmer, um an die Anmeldung zu eilen und die Wogen zu glätten. Beim Rausgehen hörte ich „Diesen Skill kenne ich nicht“. Im Flur treffe ich auf meinen Kollegen, der schon zu mir eilen wollte, weil er mich Schreien hörte, jedoch hatte ich für lange Erklärungen keine Zeit. Was hier lustig klingt, ist in der Tat eines der Hauptprobleme. Die Bedienung ist aus meiner Sicht hakelig und noch nicht so intelligent, wie erhofft. Auch bei vielen Bediener:innen funktioniert die Spracherkennung schlechter als beispielsweise innerhalb der Familie.
Ein halbes Jahr später habe ich festgestellt, dass meine Ursprungsidee mit Alexas Behandlungsraum einfach so im Moment keinen Sinn macht. Die Digitalisierung ist zwar überall weit fortgeschritten, aber hier funktioniert ein Gerät, das ausschließlich für Endverbraucher:innen konzipiert ist, einfach nicht. Um sich Gute-Nacht-Geschichten erzählen zu lassen, bei einem Online-Händler einzukaufen oder Musik zu starten, muss so in Gerät im Behandlungsraum nicht installiert werden - insbesondere, weil es den Ablauf durchaus auch mal stören und für Verwirrung sorgen kann.
BECKERS FAZIT
Solange künstliche Intelligenz und Spracherkennung noch so
fehleranfällig sind, macht dies unter dem Aspekt der
Arbeitserleichterung in der Praxis keinen Sinn! Zur Fernbedienung für
Licht und Musik über Bluetooth-Boxen (die auch noch einen besseren Klang
haben) kann zum Beispiel auch sehr gut das iPhone eingesetzt werden.
FRAGE: Welche Erfahrungen haben Sie in Ihrer Praxis mit dem Thema DIGITALISIERUNG gemacht? Björn Becker freut sich auf einen Austausch mit Ihnen.