Sina Rademacher: "Findus auf dem Weg zum Assistenzhund"

Findus hält mich im Moment ganz schön auf Trab. Tägliches Training, Feinschliff vor unserer Zwischenprüfung und dann noch die Gedanken an die Zeit danach: Wird Findus ein zuverlässiger Begleiter sein? Macht er alles das, was ich ihm beigebracht habe? Wird er sich bei seinem zukünftigen Besitzer wohlfühlen und ein unschlagbares Team mit ihm bilden?

"Ich bilde Assistenzhunde aus!"

Assistenzhunde helfen Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen. Sie sind für ihre jeweiligen Menschen Augen, Ohren, Nase, Hände, Beine und psychische Stütze. Sie führen um Hindernisse herum, zeigen Geräusche an, heben Sachen auf, holen Hilfe, geben Halt. Findus ist einer der wenigen Hunde, die bei mir in stationärer Ausbildung vorbereitet werden. Im Gegensatz zu den Hunden, die von ihren Besitzer mit meiner Unterstützung selbst ausgebildet werden, lernt Findus in den sieben Monaten, in denen er bei mir lebt, schon alles, was er in seinem Job können muss. Erst dann zieht er zu seinem zukünftigen Besitzer. Der junge Mann sitzt im Rollstuhl und braucht einen zuverlässigen Begleiter, der ihm Sachen herbeibringt, in Notsituationen Hilfe holt, Schalter betätigt und Türen öffnet. Letzteres ist auch bildlich gemeint, denn ein Assistenzhund kann eine gute Kontaktbrücke abgeben. Hat eine Person mit einer sichtbaren Beeinträchtigung einen Hund dabei, vielleicht sogar mit einer Kenndecke, die ihn als Assistenzhund kennzeichnet, so siegt die Neugier über der Kontakthemmung.

Das alles hört sich sehr gut an: Ein Hund, der seinem Menschen hilft und mit ihm oder ihr durch dick und dünn geht.

Damit es genau so gut werden kann, muss die Ausbildung sorgfältig geplant werden. Bevor ich nach einem Hund wie Findus gesucht habe, habe ich mich mit dem zukünftigen Besitzer getroffen und wir haben genau besprochen, was er sich vorstellt und wie sein Leben aussieht. Mit diesen Informationen bewaffnet konnte ich loslegen, habe gezielt nach einem erwachsenen Hund mit den gewollten Eigenschaften gesucht und wurde auf einem Reiterhof fündig. Findus war ein kleiner Rohdiamant, der aber schon viele gute Eigenschaften mitbrachte: Er hatte Lust auf die Arbeit mit Menschen, wenig jagdliche Ambitionen, eine sehr gute Gewöhnung an verschiedene Tiere und unterschiedliche Menschen und er kannte sowohl das friedliche Landleben als auch die hektische Fußgängerzone. Mit etwas über zwei Jahren war er im besten Pudelalter und schon etwas reifer. Aber, was ein richtiger Superhund werden will, der hat auch eine Schwachstelle: Findus „Kryptonit“ sind Bälle.

Der Job des Hundes soll dessen Wunschaufgabe sein! "

Sina Rademacher, Hundetrainerin und Verhaltensberaterin aus Hamburg

Findus zog nun zu mir nach Hamburg. Ich halte nichts von Zwingeranlagen oder ähnlichem. Findus lebt bis heute eng zusammen mit meiner Familie und unseren zwei Pudeldamen. Zum einen, weil ich ihn so optimal kennen lernen und für alle Alltagssituationen ausbilden kann, und zum anderen, weil Findus, wie alle anderen Hunde auch, Menschen als Sozialpartner dringend benötigt. Ein angehender Assistenzhund gehört ins Haus und nicht in den Zwinger! Wir wollen ja, dass diese Hunde eine enge Beziehung zu ihren Menschen eingehen. Wie könnten sie dies leisten, wenn wir sie während der Ausbildungszeit emotional vernachlässigen? Ebenso bin ich der Meinung, dass ein stationär ausgebildeter Hund seinen zukünftigen Menschen schon während der Ausbildung kennen lernen muss, damit der Übergang vom Ausbildenden zum neuen Zuhause möglichst schonend für den Hund gestaltet wird. Ich betreue daher nur Menschen, die nicht weiter als eine Stunde Fahrtzeit entfernt sind, damit eine enge Zusammenarbeit auch möglich ist.

Findus hat „seinen Menschen“ kennengelernt, nachdem er den Eignungstest beim Verein Dogs with Jobs e.V.bestanden hat. Der Verein, bei dem ich selbst Gründungsmitglied und 2. Vorsitzende bin, bietet eine freiwillige Qualitätsprüfung u. a. für Assistenzhund-Mensch-Teams an, denn in Deutschland gibt es keine gesetzlich vorgeschriebene Prüfung für Assistenzhunde. Da sich im Nachbarland Österreich endlich eine gesetzliche Regelung für Assistenzhunde etabliert hat, arbeiten verschiedene Organisationen, u.a. der Arbeitskreis Assistenzhunde in Deutschland (AKAD) auf Hochtouren, um auch hier zulande etwas politisch zu bewegen. Bis sich etwas Offizielles etabliert hat, lasse ich die von mir ausgebildeten Teams weiterhin freiwillig prüfen.

Die Prüfung von Dogs with Jobs e.V. besteht bei selbstausgebildeten Hunden aus drei Teilen:

 - Im Eignungstest wird zunächst die Stressbelastbarkeit des Hundes geprüft. Hier wird genau darauf geachtet, ob der Hund seiner zukünftigen Aufgabe gewachsen ist. Nichts ist schlimmer, als einen Hund in einen Job hineinzudrängen, den er nicht machen möchte, da hat am Ende auch sein Mensch nichts davon. Ein Assistenzhund-Azubi muss in Stresssituationen ruhig bleiben und sich an seiner Bezugsperson orientieren. Er muss Lust haben mit dieser zusammen zum arbeiten. Findus hat dies mit Bravour gezeigt.

 - Als nächstes kommt die Theorieprüfung, in der der Mensch zeigen soll, ob er sich mit den Bedürfnissen von Hunden auskennt und sachkundig ist einen Assistenzhund zu führen.

 - Den Abschluss bildet die Teamprüfung. Hier wird das fertig ausgebildete Mensch-Hund-Gespann auf seine Alltagstauglichkeit getestet: Kann der Mensch seinen Hund so führen, dass Dritte nicht belästigt oder gar gefährdet werden? Arbeitet der Hund auch gut unter Ablenkung? Zeigt der Hund während der Prüfung, dass er gerne mit seinem Menschen zusammen arbeitet und dieser sich auf ihn verlassen kann? Bei einem stationär ausgebildeten Hund gibt es noch eine zusätzliche Zwischenprüfung, bevor der Hund in sein neues Zuhause einzieht. In dieser durchlaufen Trainer und Assistenzhund-Azubi die Teamprüfung gemeinsam. Ich kann so zeigen, dass ich Findus alles beigebracht habe, was er in seinem zukünftigen Job braucht und auch sein „Kryptonit“ unter Kontrolle habe. Eine gute Qualitätskontrolle für mich und eine Sicherheit für den zukünftigen Besitzer.

Die Zwischenprüfung rückt näher und ich bin guter Dinge. Die Sorgen gehören dazu: sie zeigen, dass ich diese Arbeit nicht auf die leichte Schulter nehme.

TIDE-TV, Hamburg. "Für Jessica Ehrhardt ist ihr Hund Phoebe mehr als nur ein Haustier. Phoebe ist ein Assistenzhund. Möchte ein Hund so eine Ausbildung genießen, wendet er sich an Sina Rademacher." Wer noch mehr über Sina Rademacher wissen will, liest den Artikel Sina Rademacher - "Hot & Pink".