Antje Göhmann – "Auswandern ist keine Flucht!"

Portrait Kai Voßkämper
von Kai Voßkämper – 02.06.2015

Als Antje Göhmann in jungen Jahren mal gefragt wurde, wo sie denn einmal leben möchte, kam ihr spontan Teneriffa in den Kopf, ohne genau zu wissen warum. Dass sie am Ende tatsächlich auf der größten Kanareninsel leben und arbeiten würde, war ihr damals noch nicht klar. Rund 20 Jahren nach dieser Frage und eine Weltreise später fühlt sich die 42-Jährige zu Hause und endlich angekommen. Antje Göhmann passt perfekt ins Bild einer ausgewanderten Tierschützerin. Und als sie mir ihre Geschichte erzählt, kann ich mir schwer vorstellen, dass sie einmal ein ganz gewöhnliches Leben gelebt hat, wie es Millionen andere Deutsche auch tun.

Mit Kostüm und Stöckelschuhen zur Arbeit

Geboren und aufgewachsen ist sie im Rheinland und irgendwann einmal in Düsseldorf gelandet. Rechtsanwaltsfachangestellte war ihre damalige Berufsbezeichnung. Sie verdiente gut, hatte eine Beziehung und ging in Kostüm und Stöckelschuhen zur Arbeit. Es fehlte nur noch das Reihenhaus und Kinder. „Das ist wahrscheinlich das Leben, das meine Mutter gerne für mich gehabt hätte, aber Reihenhaus und ein zu sehr vorbestimmtes Leben war noch nie so meins.“ Als dann die Düsseldorfer Kanzlei nach Karlsruhe umzog, entschied sie sich gegen die Firma und einen konventionellen Job und für sich und ihre Träume. Zwar klang der Süden für sie verlockend, aber etwas südlicher als Karlsruhe sollte es dann doch sein. Kurzentschlossen ließ sie sich ihre Abfindung auszahlen und ging erst einmal nach Asien. Hier lebte und arbeitete sie eine Zeit lang und reiste dann weiter nach Papua Neu-Guinea. Doch das Leben dort war ihr auf Dauer zu gefährlich und zu anstrengend, so dass es sie nach Europa und am Ende ihrer Reise nach Teneriffa verschlug.

Tierrettung seit 25 Jahren

Seit zwei Jahren arbeitet Antje Göhmann jetzt im Tierheim Arche Noah Teneriffa e.V., das auf der Insel schon seit 25 Jahren existiert und vom deutschen Ehepaar Elmar und Ute Lohbüscher aufgebaut wurde. Der Wille dazu entstand 1990 im Urlaub auf Teneriffa, auf den sich das Ehepaar sehr gefreut hatte. Der Urlaubsfreude allerdings wich ganz schnell großer Betroffenheit. Gegen die widrigen Umstände, unter denen viele Hunde und Katzen auf der Insel ihr Dasein fristeten, beschloss das deutsche Ehepaar aktiv etwas zu tun. Quasi als Soforthilfe wurde erst einmal Tierfutter gekauft und kurzerhand die ersten Futterstellen für die notleidenden Tiere eingerichtet. Es kamen immer mehr Tiere, und so gab es auch nach dem Urlaub für Elmar und Ute Lohbüscher kein anderes Thema mehr.

Auch wenn ich Antje vermissen werde, freue ich mich über ein neues Zuhause.

Cala

Cala, Podenco-Mix

"Hunde haben auf der Insel nicht den Stellenwert, den sie haben sollten!"

Aus dem Schock über die Zustände entwickelte sich der starke Antrieb, die Zustände auf der Insel maßgeblich zu verbessern. Innerhalb der folgenden Jahre entstand ein komplettes Tierheim, in dem heute über 40 Hunde und 30 Katzen ein vorläufiges Zuhause finden - und dann an Tierfreunde in Deutschland vermittelt werden. Das Team um Lohbüscher und Göhmann nimmt fast alle Hunde und Katzen auf, die auf der Insel keiner möchte. Von außen erkennt man nicht, dass es sich um ein Tierheim handelt - der Name "Arche Noah Teneriffa e.V." ist mit voller Absicht nicht an die Tore geschrieben, damit die Insulaner nicht ständig ihre Welpen hier abliefern. Das würde die Kapazitäten des Vereins deutlich überschreiten. Und trotzdem kommt es immer wieder vor, dass die Arche-Mitarbeiter Kartons mit Welpen vor den Toren des Heims finden. „Immer noch besser, als wenn die Tiere im Müll landen,“ sagt Antje Göhmann. Und das passiert leider Gottes gar nicht so selten. 


Hunde haben bei vielen Menschen auf der Insel nicht den Wert, den sie haben sollten und sind ihren Besitzern schnell lästig. Häufigste Rasse im Heim sind die Podencos, eine Jagdhundrasse, die ganz typisch für die Kanarischen Inseln und sehr anspruchsvoll ist, was Aufmerksamkeit und Bewegung betrifft. „Podencos sind leider schwer zu vermitteln, da sie extrem viel Auslauf brauchen", erklärt mit Antje Göhmann.

Antje Göhmann: "Mein Herz gehört allen. Hunde, Katzen und Menschen!"

Bei meiner persönlichen Führung durch das Tierheim, merke ich sofort, wie sehr die Rheinländerin ihren Job liebt. Anfangs habe ich noch versucht mir zu merken, welcher der fast 40 Hunde im Heim ihr Liebling ist. Als sie aber an jedem Auslaufgehege mir einen neuen Namen sagt und mir felsenfest versichert, dass dies nun wirklich ihr Liebling ist, gebe ich auf. Egal ob Apollo, Murphy, Cala, Fernando oder Pavel, ihr Herz gehört allen Tieren. Obwohl sie sich im Tierheim lieber bei den Katzen aufhält. „Dort ist es ruhiger. Katzen liegen mir vom Temperament mehr. Die bellen nicht so laut.“

Arche Noah nicht nur als Rettung für Hunde und Katzen?

Böse Zungen könnten bei dem Namen des Tierheims behaupten, dass sich Antje Göhmann - genau wie die Tiere - in ein rettendes Schiff zurückgezogen hat. Aber so versteht die Ex-Düsseldorferin ihren Schritt ganz und gar nicht. „Ich gehe ja mit Absicht irgendwo hin und fliehe nicht vor etwas", erklärt die Tierschützerin, "ich gehe auf etwas zu und entscheide mich ganz bewusst für ein Leben.“ Das Leben auf Teneriffa möchte sie auch vorerst nicht eintauschen, denn für Antje Göhmann ist das Tierheim der friedlichste Ort, an dem sie bis jetzt gelebt hat. Ein Frieden, den nicht nur sie, sondern auch alle Tiere spüren, die es in die rettenden Mauern der Arche geschafft haben.