Mike Wilson - "Skateboards sind mein Leben"

Portrait Kai Voßkämper
von Kai Voßkämper – 13.06.2017

Vor dem Interview mit Mike Wilson habe ich ein ganz besonderes Gefühl, denn ohne es zu wissen, haben sich unsere Wege in der Vergangenheit schon einmal gekreuzt. Wir haben dieselbe Heimatstadt und das, was Mike damals in den 90er Jahen dort aufgebaut hat, hat mich als jungen Skateboarder sehr geprägt. Er hat dort die erste und größte Skatehalle Deutschlands, den D.O.M.E. geführt, in der u.a. Weltstars wie Tony Hawk und Steve Caballero gefahren sind. Und ich bin mir sicher, dass er mir mein erstes Skateboard verkauft hat - ein 93-iger SantaCruz mit unbedruckten Wheels für die Vert - ein Skateboard, mit dem man damals in der Rampe fuhr.

"Ich habe sie einfach vor vollendete Tatsachen gestellt!"

Ich treffe Mike mit seinem Weimaraner-Harlekin-Doggen-Rüden "Tatu" vor seinem Skateshop im Süden Teneriffas. Mike möchte mir seinen Skatepark zeigen, den er vor vielen Jahren, ein Stück oberhalb neben dem Fußballplatz in El Medano für die Gemeinde gebaut hat. Genehmigt war von der Behörden eigentlich nur eine kleine Rampe. Als dann aber die Planierraupe dastand, ließ Mike einfach einen größeren Platz freiwalzen. „Ich habe dem Arbeiter einfach gesagt, er solle mal machen und habe die Stadtverwaltung letztlich vor vollendete Tatsachen gestellt.“ Es hat funktioniert, und so hatte die Insel und El Medano ihren ersten eigenen Skatepark - allerdings viermal so groß und mit drei Rampen mehr, als eigentlich geplant. Bis heute hält Mike den Skatepark in Schuss und ist stolz darauf, dass die Rampen aus Holz sind. "Das ist erheblich schonender für die Gelenke", erklärt der 48-Jährige. 

"Es gibt immer wieder Aussteiger, die andere ausnutzen!"

Seit 21 Jahren lebt er nun auf Teneriffa und hat dort schon eine bewegte Geschichte hinter sich. 1996 kam er, nachdem er in Mönchengladbach auf Druck der Stadt seine Skatehalle dicht machen musste, auf die Insel. Zum ersten Mal in seinem Leben war er völlig frei. Der Verkauf der Halle hatte ihm das nötige Kleingeld eingebracht, um erstmal ohne Sorgen leben zu können. Jedoch wusste er anfangs nicht wirklich was er mit sich und der Kohle anfangen sollte. Was ihm fehlte war eine richtige Aufgabe, sowie Kontakt zu den Einheimischen und den anderen auf der Insel lebenden Deutschen. Drei Jahre dauerte es, bis die Inselbewohner anfingen ihn zu akzeptierten. „Anfangs sind die Menschen hier sehr skeptisch, denn es gibt hier immer wieder Aussteiger, die sich gerne einfach irgendwo dranhängen und andere ausnutzen. Canarios nennen sie „buscavidas“. Übersetzt heißt das soviel wie: "Die das Leben der Anderen suchen". Als sie erkannt haben, dass ich nicht so bin, wurde ich schließlich in ihrer Gemeinschaft aufgenommen“. 2001 machte er seinen ersten Skateladen auf der Insel auf, 2003 folgte schließlich der Skatepark in El Medano.

Wir haben uns fuckin' noch mal gefunden.

Tatu

Weimeraner-Harlekin Doggen-Mix, 5 Jahre alt

"Eigentlich wollte ich gar keinen Hund mehr."

Mit den Jahren kamen und gingen die Menschen auf Teneriffa - nur er blieb auf der Insel. Eine spezielle Liebe, so wie mit seinem Hund. Tatu und er haben sich auch auf besondere Art gefunden. Dazu muss man wissen, dass Mike eigentlich gar keinen Hund mehr wollte, da er schon mehrere erfolglose Versuche hinter sich hatte, bei denen es zwischen Tier und Mensch einfach nicht gepasst hat. „Diese Hunde waren totale Rebellen, die ständig alles zerstört haben und völlig unkontrollierbar waren. Sie haben einfach nicht zu meinen Lebensrhythmus gepasst und sind immer wieder ausgerissen. So hatte ich mich von der Vorstellung, einen eigenen Hund zu haben, gelöst.“ Mike hatte die Hoffnung aufgegeben, dass es den zu ihm passenden Hund gebe. Pikanterweiser hatte er auch mit den  Frauen abgeschlossen - weder in der Liebe noch mit Tieren wollte es so richtig klappen. 

Mit Tatu fühlt sich Mike endlich komplett.

Anders als Mike, ist Tatu aber ein echter "Canario". Eine Freundin hat ihn vor vier Jahren in seinen Laden mitgebracht und kümmerte sich im Auftrag einer Doggenhilfsorganisation um das Tier. Keiner wollte ihn. Genau dieses Gefühl war Mike bekannt, denn er selbst war im Alter von acht Jahren ins Heim gekommen und ohne echte Familie aufgewachsen. Trotz anfänglicher Skepsis und weil ihm der junge Hund mit seinen stahlblauen Augen schon ein wenig Angst machte, nahm er den damals einjährigen Tatu eine Woche zur Probe zu sich nach Hause. Doch schon nach der ersten Nacht war ihm klar, dass die Probewoche auf ein ganzes Leben erweitert werden sollte. "Tatu hatte ihm Hoffnung und Lebensfreude wieder gegeben. Mit dem Hund kam auch die Traumfrau. Kurz danach hat der überzeugte Single auch seine neue Liebe kennengelernt, mit der er mittlerweile gemeinsam im selbst gebauten Haus in den Bergen von Teneriffa lebt. Tatu und Jasmin sind seine kleine Familie und schaffen ein Gefühl, was er lange Zeit nicht kannte.

Immer das Beste aus der Situation machen

Der Alkohol hatte nämlich damals seine komplette Familie zerstört. Ein Kapitel, an das Mike in seinem Leben nicht gerne zurückdenkt, denn es war geprägt von Alkohol und Gewalt. Seinen ersten Hund bespielsweise hatte der Vater vor seinen Augen erschossen. Den Kontakt zur Familie hat er abgebrochen. Mike hat auch nicht das Gefühl, etwas an seine Eltern zurückgeben zu müssen. Er hat mit den Jahren diesbezüglich eine eigene und sehr gesunde Einstellung entwickelt. "Wir werden als Kinder geboren und entwickeln uns im Alter wieder dahin zurück. Als ich auf meine Eltern angewiesen war, haben sie mir nichts gegeben. Demnach bin ich ihnen jetzt auch nichts schuldig. Das Leben besteht aus geben und bekommen, und ich kann nur geben, wenn ich auch etwas bekommen habe." So hart die Erfahrungen auch waren, Mike hat all das immer in positive Energie und Projekte umgewandelt - mit seinen ganz eigenen Regeln.  

Mike Wilson: "Lieber komme ich als der Bad Boy rüber."

Auch wenn wegen seiner Tattoos auf den ersten Blick nicht so aussieht, Mike ist ein sehr empfindlicher und sanfter Typ. "Lieber komme ich auf den ersten Blick als Bad Boy rüber, und die Leute erkennen dann im zweiten Anlauf, dass ich ein Guter bin.“ Positiv zu überraschen - und dem ersten "Bad-Boy Image" nicht gerecht werden - ist einfacher als immer die Maske des "Nice-Guy" aufrecht zu halten. Das geht für Mikes absolut nicht.

Lebenserfahrung ist Fluch und Segen

Während unseres Gespräches kommt es mir immer wieder so vor, als ob Mike gar nicht bewusst ist, was er alles geschafft hat in seinem Leben. Er ist ein Macher, der sich selten von etwas aufhalten lässt. Angefangen bei dem Entschluss eine Ausbildung in einem Skateladen zu machen, seinen Abschluss nachzuholen, eine Skatehalle zu eröffnen, später nach Teneriffa auszuwandern, einen eigenen Laden aufzumachen, ein Haus mit seinen eigenen Händen zu bauen und nebenbei noch einen Skatepark zu errichten. Ich kenne kaum Menschen, die so viel geschafft haben und dabei so bescheiden und geerdet geblieben sind.