Hundeexperte und -coach Michael Bolte: "Mit allen Hundesinnen"

Portrait Andreas Moll
von Andreas Moll – 15.08.2016

Beim ersten Kontakt mit Michael Bolte fällt auf, welche Ruhe der groß gewachsene Mann ausstrahlt. Hätte er auf seiner Lieblingsrunde im Wuppertaler Naherholungsgebiet "Scharpenacken" nicht schnell noch seine Gummistiefel zum Trenchcoat angezogen, käme man mitnichten auf die Idee, dass er ein Hundecoach ist - einer der bekanntesten in Deutschland.

Bolte, der mit seinem Großen Münsterländer Easymann und Flatcoated Retriever Barney abwechselnd in Nordhessen auf dem Land und in Wuppertal lebt, ist in der Hundewelt kein Unbekannter: Der WDR bat ihn bereits 2007 vor die Kamera, um in der "Welpenschule" die Erziehung und den stressfreien Umgang mit jungen Hunden zu demonstrieren. Schon damals zeichneten seine Arbeit vor allem Geduld, Gelassenheit und das Verständnis für die heutigen Bedürfnisse von Hund und Halter aus. Und ein eigener Zugang – denn dass er lieber auf die sozialen Fähigkeiten jedes Hundes vertraute, statt ständigen Gehorsam einzufordern, war noch alles andere als selbstverständlich. So folgten weitere TV-Formate und etablierten ihn als Experten, der auch schwierige Verhaltensprobleme mit viel Know-how und Empathie zu lösen weiß. Bolte würde sich sicherlich wehren, würde man ihn einen Hundeflüsterer nennen, doch besitzt er so etwas wie einen siebten Hundesinn.

Gewaltfreie Kommunikation auf der Autobahn

Der Mann, der viele Jahre Filmpremieren in Berlin und München mit Hollywood-Größen wie Leonardo di Caprio oder Tilda Swinton organisierte, und auch als Türsteher eines renommierten Düsseldorfer Clubs schon gewaltfrei kommunizierte, erzählt uns beim Spaziergang von einem schicksalhaften Erlebnis: "Vor 15 Jahren ungefähr fuhr ich kurz hinter München auf der A9 gen Heimat – sehr langsam und auf der rechten Spur. Ich kam gerade von meinem ersten Seminar über Beschwichtigungssignale und gewaltfreie Kommunikation mit Hunden und hing meinen Gedanken nach: ob Hundecoach wirklich ein Beruf war, der mich glücklich machen würde? Es war schon fast dunkel draußen, als mir plötzlich ein Hund auf dem Standstreifen entgegen lief." Wild entschlossen und vom Seminar beflügelt nahm Bolte die nächste Ausfahrt und fuhr "wie ein Irrer" auf der Gegenfahrbahn zurück. Minuten später stoppte er bei dem völlig verängstigten Ausreißer, der sich von den herbeigerufenen Polizisten noch immer nicht einfangen ließ. In diesem Moment machte Bolte intuitiv alles richtig – er konnte den Hund beruhigen und sicher von der Straße bringen. Und in diesem Moment fiel bei ihm auch die Entscheidung, mit dem Hundecoach tatsächlich Ernst zu machen.

Seitdem hat der "Hundeversteher" sehr vielen Mensch-Hund-Paaren zu einem unkomplizierten Miteinander verholfen: "Hund, Besitzer und persönliche Lebenswelt sind immer einzigartig und werden von mir entsprechend individuell betrachtet." Michael Bolte setzt in seinem Coaching auf die naturgegebene Beziehungs- und Kommunikationsfähigkeit von Mensch und Hund. Und auf "Entwicklungshilfe": zu seiner Erziehung gehört es, Hundehalter anzuleiten, die Verhaltensentwicklung ihres Tieres von klein auf sehr bewusst zu lenken. "Damit unsere Hunde an unserer Seite locker durchs Leben gehen, müssen sie den Herausforderungen ihres heutigen Alltags gewachsen sein. Meine Aufgabe ist es, meinen Hund behutsam in unsere gemeinsame Welt mit ihren zahlreichen Reizen zu integrieren. Auf diese Weise kann er eine entspannte und souveräne Grundhaltung zu allem, was ihn umgibt und was ihm begegnet, ausbilden."

Dogdactics - zeitgemäße Hundeerziehung

Basierend auf aktuellen Erkenntnissen der Verhaltensforschung und der Neurowissenschaft hat Michael Bolte sein Erziehungskonzept "Dogdactics" erarbeitet und immer an den Erfahrungen der eigenen täglichen Arbeit mit Hunden überprüft. "Die Wissenschaft hilft uns beispielsweise, die physische und psychische Entwicklung des Hundes zu verstehen, sie erforscht sein Verhalten, wie sein Gehirn funktioniert und wie er lernt. Das sind alles Basics, auf denen meine Erziehung beruht", sagt der Hundeexperte im Interview. Kurz: Theorie übersetzt in die Praxis – damit sie dem Hundehalter im Alltag weiterhilft.

Der Mann lässt uns in Ruhe unsere Welt erkunden – und wenn wir ihn brauchen, gibt er uns Orientierung und eine große Portion Sicherheit.

Easymann + Barney

Auf dem rund 185 Hektar großen ehemaligen Truppenübungsplatz "Scharpenacken", der seit Jahren nicht mehr von Soldaten zu Schießübungen, sondern den Menschen aus Wuppertal und dem gesamten Bergischen Land als Naherholungsgebiet genutzt wird, dreht Michael Bolte mit Easymann und Barney regelmäßig seine sonntägliche Morgenrunde. Der achtjährige Münsterländer und der 18 Monate alte Flatcoated Retriever wirken mindestens so entspannt wie der Mann, der ihre Leinen trägt.

"Als Barney zu mir kam war er zwölf Wochen alt. Mit dem eigenen Welpen alles das, was man an Erfahrung und Wissen gesammelt hat und ständig an andere Hundehalter weitergibt, selbst anzuwenden und zu leben, das war für mich im letzten Jahr besonders schön", sagt Michael Bolte. "Und mit Barneys Entwicklung bin ich sehr zufrieden." Kein Wunder, denn der junge Rüde wirkt aufgeweckt und lebhaft, kontaktfreudig und verspielt. Aber selbst in aufregenden Situationen bleibt er absolut gelassen. "Barney hat eine grundsätzlich entspannte Einstellung zu seinem Leben gelernt", erklärt Michael Bolte. "Im Restaurant, in der Stadt oder im Kontakt mit Artgenossen – er lässt sich einfach nicht anmachen oder ablenken. Deshalb kann ich ihm auch so viel Freiheit lassen." Klar, dass diesen Mann so schnell nichts aus der Ruhe bringen wird.

Wer mehr wissen will über Bolte und ein Erziehungsprinzip, schaut den fünfminütigen Film "Zum Beispiel Barney" auf der Homepage des Hundeexperten an, und wer ihn persönlich kennenlernen möchte, nutzt die hinterlegten Kontaktmöglichkeiten oder geht sonntags einfach auf Boltes Lieblingsrunde spazieren.