Boxclub-Besitzer Martin Schneider - "​Mut und Ehre!"

Portrait Kai Voßkämper
von Kai Voßkämper – 17.03.2017

Der heutige Spaziergang ist ungewohnt kurz, obwohl man in Köln jederzeit mit dem Grund dafür rechnen muss. Regen. Nach einer kleinen Runde durch den Grüngürtel an der Uni, sitze ich mit meinem Gesprächspartner schon wieder in seinem Auto auf dem Weg in ein kleines Café. Dort wollen wir unser Gespräch fortsetzten. Die Scheiben sind wegen des Regens leicht beschlagen und es riecht nach nassem Hund. Im Nacken habe ich eine mittelgroße Englische Bulldogge. Neben mir sitzt Martin Schneider, Boxtrainer aus dem Kölner Stadtteil Sülz. Der Wagen: ein alter BMW mit einer angerosteten Motorhaube. Beim Einsteigen muss ich mir erstmal den Platz auf der Beifahrerseite frei räumen. „Ich mag Autos, in denen ich leben kann, nichts Neues und mit ein wenig Patina. Neue Sachen besitzen Dich eher, als dass Du sie besitzt.“ Lebensphilosophie als Gesprächseinstieg. Und dass Martin Schneider seine ganz eigene Philosophie lebt, ist mir sehr schnell klar. Er ist nicht nur Hundebesitzer, sondern auch Boxclubbetreiber - und das aus tiefster Überzeugung. 

Viele Menschen wechseln die Straßenseite, wenn sie mich sehen.

Boxclubbesitzer war er nicht immer. Eigentlich hat er Maschinenbau studiert und lange bei Ford in Köln gearbeitet. Der Job wurde ihm allerdings irgendwann zu langweilig und zu stressig. Er wollte sein eigener Herr sein und hat sich deswegen selbstständig gemacht. Das Studium zum Ingenieur hat er auch nur aus solidem Sicherheitsdenken gemacht und weil er wusste, dass die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt ganz gut sind. Sein Traum war es eigentlich nicht, zumal er immer schon schlecht in Mathe war. Aber Schneider liebt Herausforderungen und „im Prinzip geht alles, wenn man nicht faul ist“. Auf den ersten Blick hat Martin Schneider etwas Furchteinflößendes. Er ist 1,82 m groß, durchtrainiert und stark tätowiert, sogar an den Händen und im Gesicht. „Die sind erst mit meiner Selbstständigkeit gekommen. Jetzt muss ich ja keinem mehr Rechenschaft ablegen oder mich irgendwo bewerben“, sagt er selbstbewusst. Wenn er dann noch seine Hündin Siri bei sich hat, ist das Bild perfekt. 

„Viele Menschen wechseln die Straßenseite, wenn sie mich sehen. Allerdings weiß ich um mein Aussehen und meine Wirkung, das macht mich optisch zu einem besonderen Typen. Wenn ich es nicht wissen würde, wäre ich ein Freak.“ Optisch also der Typ Türsteher und Rocker, vom Wesen allerdings das Gegenteil. Kein Freak, sondern eher angenehm, nett und vernünftig. Dennoch kokettiert er gerne mit seiner Optik, die für ihn auch zum Geschäft dazu gehört. Schneider bewegt sich gekonnt auf jedem Parkett zwischen Halbwelt und Bildungsbürgern. Das liegt daran, dass er sich schon in vielen Boxclubs bewährt und geschlagen hat. Er kennt die harte Schule eines Hinterhofboxclubs, fühlt sich aber wohler in einem Club in dem der Sport im Mittelpunkt steht.

Futter, Futter, Futter... ich mag Futter. Martin, Martin gibt mir Futter.

Siri

Englische Bulldoggen-Mix, 6 Jahre

Ohne Mut keine Ehre

Boxen kann jeden weiterbringen, da ist sich Martin Schneider sicher. Kampfsport schult Körper und Geist. Allerdings wollte Schneider immer einen Sport mit wenig Schi-Schi und weniger spirituellem Überbau, wie das häufig bei asiatischen Kampfkünsten der Fall ist. Ein Ring, zwei Fäuste - that’s it. Von der körperlichen und geistigen Herausforderung ist Boxen auch das Anspruchsvollste was man an Sport machen kann. Boxen fordert einen total. Schneider mag vor allem den Modus, in den man gerät, wenn man im Ring steht. Eine Erfahrung, die man im normalen Leben heutzutage sehr selten macht. Das spiegelt sich auch in dem Namen des Clubs wieder. Guts and Glory. Mut und Ehre, oder anders gesagt, ohne Mut keine Ehre. Mit seinem Box-Club verkauft Schneider aber nicht nur bloßes Training, sondern auch ein bestimmtes Lebensgefühl und ein Image. Im Prinzip ist ihm jeder Kunde willkommen, aber am liebsten möchte er gerne Menschen ansprechen, die lernwillig und gebildet sind. Schlägertypen und Einzelgänger sind ihm nicht so wichtig. Allerdings setzt er beim Stil seines Clubs trotzdem auf das Bad-Boy-Image. Der Club liegt in einer alten Fabrikhalle und ist so ziemlich genau das, was man sich unter einem Klischee-Box-Club vorstellt. Ein Ring in der Mitte der Halle, viele Box-Säcke, alles schlicht und roh gehalten und Martin mit Siri als Trainer mit passendem Hund. Der Kontrast zu diesem Bild ist Schneiders Anspruch an seinen Club. Klar, Patina und der raue Hinterhofcharme gehören mit zum Image, aber auch ein gewisser gehobener Stil lässt sich nicht leugnen. Der Club dient auch oft als Kulisse für Film und Fernsehproduktionen. Neben vielen Drehs gibt es auch immer wieder kulturelle Veranstaltungen, die in dem Club stattfinden, wie zum Beispiel das Event "Lesesport", bei der Profivorleser in den Ring steigen, um Texte von Hobbyautoren zu lesen. 

Schneider mag es, wenn der Club auch zu einem kulturellen Mittelpunkt des Viertels wird. Für Außenstehende ein gewagtes Konzept, weil es dabei so viele Gegensätze gibt, für Martin Schneider die logische Konsequenz aus seinem weltoffenen Lebensstil. Der Erfolg gibt ihm Recht. No guts, no glory eben.