Stress und Angst beim Hund

Stress und Angst beim Hund kann verschiedene Verhaltensweisen hervorbringen. Der eine Hund ist ungewöhnlich ruhig, will sich vielleicht gar nicht bewegen, versteckt sich hinter „seinem Menschen“. Wer hat nicht so ein Bild schon einmal im Wartezimmere eines Tierarztes gesehen? Ein anderer Hund setzt Urin ab, wenn ihm z.B. eine Situation Angst macht. Der nächste Hund singt ein Klagelied oder bellt unaufhörlich, wenn der Besitzer ihn allein in der Wohnung zurück lässt. Wieder ein anderer läuft weg oder aber wird aggressiv und beißt.

Aber warum hat ein Hund Stress? Warum hat ein Hund Angst?

Zunächst einmal muss man sich klar machen, dass Stress nicht nur durch negative, sondern auch durch positive Einflüsse entstehen kann: Die große Freude, wenn der Besitzer nach Hause kommt, kann genauso Stress hervorrufen, wie z.B. der neue Welpe, der ankommende Spielkamerad und auch die läufige Hündin in der Nachbarschaft. Auch ein gewisser sinnvoller evolutionärer Aspekt kann dahinter stehen: Der Hund, der eine Gefahr wittert und dann bellt. Vielleicht hat der Hund auch Angst, weil er Sinnesreize anders aufnimmt, weil er z.B. blind ist oder Schmerzen (z.B. durch einen Tumor im Gehirn) hat.

Woran erkennen wir Stress und Angst beim Hund?

Ganz unterschiedlich, wie man bereits aus dem gesagten erahnen kann: Eingezogener Schwanz, vielleicht eine geduckte Körperhaltung, geweitete Pupillen, häufig das Aufstellen der Haare im Nacken und vorderen Rücken (die „Bürste“), vielleicht hochgezogene Lefzen. Vielleicht Fluchtverhalten, vielleicht aber auch Angriff – die sog. Fight-or-Flight-Reaktion. Oder aber Freeze-and-Fright - man kennt den Begriff: Starr vor Angst.

Wie entsteht Stress?

Ein Sinnesreiz aktiviert den Thalamus und die Hirnrinde (Cortex), diese aktivieren den Mandelkern (Amygdala), von da aus geht die Reaktion weiter an den Sympatikus (ein Teil des vegetativen „unwillkührlichen“ Nervensystems), an die Hypophyse undan die Nebenniere. Sog. „Stresshormone“ wie Adrenalin, Cortison und Dopamin werden ausgeschüttet. Wichtig ist dabei zu wissen, dass im Mandelkern, einem Teil des Limbischen Systems, Ereignisse mit Emotionen abgespeichert und verknüpft werden, so dass eine emotionale Bewertung und auch eine (Wieder-)Erkennung von „Gefahren.

Hier felht noch eine Take-Home-Message. Und ein Bild von Ihnen (am besten mit Hund.

Dr. Stefanie Berghahn, Tierärztin

Zur Veranschalichung folgen nun zwei Fallberichte von im Verhalten auffälligen Hunden, mit eben doch wirklich komplexen Krankheitsbildern dahinter.

Fallbericht 1: Amy, Border-Collie-Mischling, 10 Jahre, nicht kastriert, regelmäßig geimpft und entwurmt.
Vorbericht: Die Hündin war schon immer sehr „skeptisch“ gegenüber Fremden, verbellte unbekannte Personen, besonders Männer, zeigte schon immer Grundzüge leicht aggressiven Verhaltens in unbekannten Situationen/bei fremden Menschen. Die Hündin war in den letzten Wochen bis Monaten auffällig aggressiver, knurrt auch bekannte Personen, sogar den Lebensgefährten der Besitzerin oder auch in letzter Zeit die Besitzerin an. Scheint insgesamt etwas antriebsloser, will nicht mehr so spielen wie früher. Jetzt zweimalig epileptiforme Anfälle von ca. zwei Minuten, postiktal hochgradig aggressiv gegenüber der Besitzerin. Bei der allgemeinen Untersuchung zeigten sich keine Auffälligkeiten. EKG unauffälliger Sinusrhythmus, Blutwerte in Norm. Prognose: Infaust

Therapie: Der Hund wurde auf Wunsch der Besitzerin mit stark dämpfenden und schmerzlindernden Medikamenten nach Hause entlassen und zuhause im Kreis der Familie vom, Haustierarzt euthanasiert.

Fallbericht 2: Luna, Terriermischling, 10 Jahre, kastriert, regelmäßig geimpft und entwurmt. Vorbericht: Hund zeigt seit einiger Zeit große Unruhe, kratzt sich plötzlich. Die Untersuchung der Blutwerte und des Urins waren unauffällig. Die Haut zeigte weder Rötungen noch sonstige Auffälligkeiten,die Untersuchung auf Ektoparasiten war negativ. Die Unruhe und das Umherlaufen steigerten sich - vor allem nachts - deutlich. Die neurologische Untersuchung der Kopfnerven war auch unauffällig, die Besitzer haben die nächtlichen Unruhephasen filmisch dokumentiert. Der Hund schien ängstlich, sprang an Türen hoch, lief umher und reagierte phasenweise nicht auf Zuspruch durch die Besitzer. Aufgrund der vorliegenden Untersuchungsergebnisse kommen eine Großhirnläsion oder auch differentialdiagnostisch sogenannte Running Fits (eine Art Anfallsleiden) in Betracht. Die Besitzer entschieden sich gegen weitere bildgebende Diagnostik, so dass eine diagnostische Therapie mit Imepitoin begonnen wurde.
Unter der Therapie verschwand die Symptomatik.
Prognose: Gut, eine dauerhafte Therapiemit der Medikation ist erforderlich.

FAZIT