Stress im Schlafzimmer - Neufundländer Lisa stinkt!

In meiner Praxis wird die achtjährige Neufundländerhündin „Lisa“, die seit 2,5 Jahren zunehmenden Juckreiz zeigt, vorgestellt. Zurzeit kratzt sie sich ständig und hinterlässt überall, wo sie liegt, einen schmierigen Film. Schon ab dem Alter von einem Jahr mussten regelmäßig Ohrentzündungen behandelt werden. Lisa hat in der letzten Zeit 15 Kilogramm an Gewicht verloren. Die Besitzer haben unterschiedliche Therapien mit Antibiotika und Cortison durchgeführt, diese zeigten aber immer nur kurze Besserungen. Auch eine mehrmalige Injektion des Antiparasitikums Ivermectin brachte keine Veränderungen. Auch wechselten Lisas Besitzer mehrfach das Futter.

Klinische Untersuchung
Lisa wirkt bei der Untersuchung matt, wenn sie sich nicht gerade kratzt. Außerdem ist sie hochgradig abgemagert. Das Fell ist am gesamten Körper sehr schütter, die Haut ist sehr fettig und hat einen extrem unangenehmen Geruch. Am Bauch und an den Beinen ist die Haut hochgradig verdickt und bildet Falten. An den Ellbogen, den Hinterläufen und am Bauch bestehen Rötungen und einige wenige Pusteln. Zusammengefasst zeigt Lisa also eine ölige Hautveränderung, die mit einem starken Juckreiz und diffuser Haarlosigkeit einhergeht. Außerdem darf auch die hochgradige Gewichtsabnahme nicht vernachlässigt werden.

Was konnte nun eine derart massive fettige Veränderung (Seborrhoe) hervorrufen?

Dafür gibt es mehrere Ursachen. Als Seborrhoe wird die übermäßige Produktion von Talg bezeichnet. Diese zeichnet sich entweder durch eine vermehrte Schuppenbildung (trockene Seborrhoe) oder durch eine übermäßig fettige Haut und Haarkleid (ölige Seborrhoe) aus. Manchmal liegen auch beide Formen kombiniert vor oder können durch Infektionen mit Hefepilzen kompliziert werden. Beide Formen können als angeborene Erkrankung, z.B. beim Terrier, Cocker Spaniel oder beim Labrador (Ichthyose) auftreten oder sekundär durch andere Erkrankungen bedingt werden. Bei der öligen Seborrhoe kann eine übermäßige Produktion von Talg durch die Talgdrüsen oder eine falsche Zusammensetzung der Lipide vorliegen. Neben den angeborenen öligen Seborrhoen (Terrier) können Hormon produzierende Hodentumore oder eine Infektion mit Hefepilzen oder Demodexmilben sekundär dieses Krankheitsbild hervorrufen.

Um die Ursache für Lisas juckende Hautveränderung herauszufinden, werden nun Hautgeschabsel und Abklatschpräparate von der veränderten Haut genommen. Beim Hautgeschabsel werden mit einer mit Öl befeuchteten Skalpellklinge entweder oberflächlich oder aus tieferen Hautschichten Zellen und Material gewonnen. Auf diese Weise können verschiedene Milben nachgewiesen werden. Bei Lisa können jedoch keine Milben gefunden werden. In den Abklatsch-Präparaten - hier wird ein Tesastreifen oder ein Objektträger direkt auf die veränderte Hautstelle gedrückt und anschließend gefärbt - zeigen sich viele Hefepilze und Bakterien.  

Doch eine so massive Entzündung der Haut aufgrund von Hefepilzen (Malassezien) und Bakterien muss eine unterliegende Erklärung haben. Hierbei kommen Erkrankungen ins Spiel, die das Immunsystem der Haut beeinflussen können, so wie Allergien, hormonelle Erkrankungen, Tumore und Parasitosen. Da Lisa schon eine ältere Dame ist, werden mittels Blutuntersuchung und Ultraschall die hormonelle und tumorösen Erkrankungen weitestgehend ausgeschlossen. Somit lautete die Arbeitsdiagnose: Bakterielle Entzündung und Malassezieninfektion der Haut aufgrund einer Primärerkrankung mit Verdacht auf eine Allergie.

Lisa erhält nun eine Therapie mit einem Antibiotikum und eine Antipilzmittel. Außerdem wird sie alle zwei Tage mit einem geeigneten Shampoo gebadet. Zusätzlich wird Lisa mit einer selbstgekochten Diät aus Pferdefleisch und Kartoffeln über acht Wochen gefüttert, um eine Futtermittel-Allergie auszuschließen. Einige Wochen später können alle Medikamente abgesetzt werden. Lisas Fell ist wieder dicht, glänzend und flauschig - und vor allem muss sie sich auch nicht mehr ständig kratzen. Auch an Gewicht hat sie wieder deutlich zugewonnen. Da es Lisa so gut geht, möchten die Besitzer keine Futterprovokation durchführen und füttern ein kommerzielles Trockenfutter auf Pferdefleischbasis weiter.  

Nun steht Lisa die heimische Schlafzimmertür wieder offen……