Mehr als nur eine Lahmheit - Multimodales Schmerzmanagement in der Orthopädie

Ein Artikel von TFA Mara Trock und Tierärztin Dr. Alexandra Keller

Luna, eine zweijährige Mischlingshündin, kam mit einer immer wiederkehrenden Lahmheit in der rechten Vordergliedmaße zu uns in die Praxis. Bei ihrem Haustierarzt wurde sie schon voruntersucht - Diagnose: Bicepssehnenentzündung. Da die Lahmheit trotz Schmerzmittel und Ruhe nicht besser wurde, stellten ihre Besitzer sie bei uns zur Physiotherapie vor.

Da auch die Physiotherapie nur eine mäßige Verbesserung zeigte, wurde Luna nochmals komplett orthopädisch in unserem Haus von Dr. Alexandra Keller untersucht. Nach Röntgen- und Ultraschalluntersuchung stellte sich heraus, dass Luna neben der Bicepstendinitis noch an einem medialen Schultersyndrom und einer Hüftgelenksdysplasie litt. Nach diesen exakten Diagnosen beschlossen wir, Luna multimodal zu behandeln. Die Bicepssehne wurde wöchentlich mit physikalischer Medizin, wie High-Level-Laser und therapeutischen Ultraschall behandelt (Abb. 1 +2). Als Ergänzung bekam Luna ein Futtermittel zur Unterstützung der Muskulatur.

Was ist physikalische Medizin?

Als physikalische Medizin bezeichnet man alle Behandlungstherapien die auf physikalischen Methoden beruhen (z.B. Wärme, Kälte, elektrische Reize). Sie dienen zur Schmerzbekämpfung, Verbesserung des allgemeinen körperlichen Befindens, Verbesserung der Durchblutung und der Reaktionsfähigkeit von Muskeln und Nerven. Durch die Schonhaltung, die Luna sich angewöhnt hatte, entwickelte sie Blockaden in ihrer Wirbelsäule, die wir mit Chiropraktik behandelten (Abb. 3). Dies zeigte nicht nur eine positive Wirkung im Gangbild, sondern auch auf ihre leichte Inkontinenz, die sie schon seit circa einem Jahr zeigte.

Was ist Chiropraktik?

Chiropraktik ist eine manuelle Methode, die sich mit der Diagnose, der Behandlung und der Prävention von Funktionsstörungen und Schmerzen des gesamten Bewegungsapparates sowie deren neurophysiologischen Folgen befasst. Der intensiv geschulte Tierarzt diagnostiziert und behandelt dabei Blockaden. Dies geschieht durch einen punktuellen Impuls, der durch Schnelligkeit, Präzision und Richtung definiert ist und bei dem ein Gelenk niemals über den normalen Bewegungsradius hinausbewegt oder strapaziert wird.

Durch die chiropraktische Behandlung wird neben dem direkten Effekt auf ein Gelenk auch das zentrale und vegetative Nervensystem stimuliert und dadurch sämtliche Funktionen eines Organismus beeinflusst. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Wirbelsäule. Sie ist die Voraussetzung für einen intakten Bewegungsapparat und eine funktionierende Selbstregulation der inneren Organe und des Immunsystems. Um Lunas Muskulatur zu stärken und das Gangbild zu stabilisieren, fingen wir mit Balance- und Koordinationsübungen an. Dabei werden Gelenke und Muskulatur stabilisiert und gestärkt. Diese Übungen eignen sich auch sehr gut, um täglich zu Hause zu trainieren. Hierbei fängt man leicht an und übt das Ausbalancieren auf einem luftgefüllten Kissen erstmal mit den Vorder-, später auch mit den Hintergliedmaßen (Abb. 4).

Für eine gute Behandlung ist immer eine exakte Diagnose wichtig, um einen auf den Patienten angepassten Therapieplan erstellen zu können und ihn zu überdenken, wenn die Therapie nicht erfolgreich anschlägt."

Mara Trock, TFA und veterinärmedizinische Physiotherapeutin

Gelenkschonender Muskelaufbau im Unterwasserlaufband

Eine große Hilfe für den Muskelaufbau ist das Unterwasserlaufband (Abb. 5). Durch variieren der Wasserhöhe kann das Gewicht des Hundes bis zu 62% verringert werden und bietet somit einen gelenkschonenden Muskelaufbau. Durch den Widerstand des Wassers und das vorgegebene Tempo des Laufbandes müssen die Hunde ihre Gliedmaßen mehr anheben und gezielt wieder aufsetzen. Der Schwierigkeitsgrad kann mit erhöhen der Geschwindigkeit und der Steigung angepasst werden.

Da Luna ein sehr vorbildlicher Patient war, konnten wir sehr viele verschiedene Hilfsmittel nutzen und auch das Trockenlaufband zur Gangbildkorrektur und Erhöhen der Gelenksbeweglichkeit einsetzen. Luna lief auf dem Trockenlaufband nicht nur wie gewohnt einfach geradeaus, sondern stand nur mit ihren Hintergliedmaßen seitlich auf dem Band und musste seitwärts laufen. Anfangs noch sehr unkoordiniert und mit kleinen Schritten konnten wir von Woche zu Woche Verbesserungen sehen (Abb. 6).

Wir begannen die Therapie einmal pro Woche und konnten diese nach circa drei Monaten auf alle zwei Wochen ausdehnen. Nach einem Jahr intensiver Physiotherapie und Training konnten wir die Therapie erfolgreich abschließen. Jedoch sollte eine regelmäßige Kontrolle stattfinden, da bei solchen Diagnosen, wie der Hüftgelenksdysplasie, immer die Gefahr eine Veränderung des Gesundheitszustandes besteht. Aktuell kommt Luna im Abstand von 6-8 Wochen zur Physiotherapie und chiropraktischen Behandlung. Sie zeigt keine Auffälligkeiten mehr und kann ohne Schmerzmittel ein ganz normales Hundeleben führen.

Fazit

Am Beispiel „Luna“ sieht man, wie wichtig es ist, sich immer den ganzen Hund anzuschauen und nicht nur die betroffene Gliedmaße. Des Weiteren ist für eine gute Behandlung immer eine exakte Diagnose sehr wichtig, um einen auf den Patienten angepassten Therapieplan erstellen zu können und ihn zu überdenken, wenn die Therapie nicht erfolgreich anschlägt.