Sarcoptesräude beim Hund

Im Rahmen der Dermatologie-Sprechstunde wurde ein sechsjähriger, männlich kastrierter Neufundländer vorstellig. Der Hund litt seit über zwei Jahren unter hochgradigem Juckreiz und zeigte an den Ohren, um die Augen, am Bauch und an den Pfoten diverse Hautveränderungen. Nach Aussage des Besitzers erhielt das Tier des öfteren Kortison und Antibiotika, wurde mit besonderen Shampoos gewaschen und mit speziellen Salben versorgt. Aufgrund mangelnder Wirkung der angewandten Medikamente wurde ein Allergietest durchgeführt und eine Hausstaubmilben-Allergie diagnostiziert. Der Hund wurde im Anschluss einer Hyposensibilisierung unterzogen. Bei dieser Therapie werden die auslösenden Allergene in einer Lösung gemischt und in steigender Dosis dem Tier gespritzt. Da auch dies nicht zum Therapieerfolg führte, suchten die Tierbesitzer eine auf Hauterkrankungen spezialisierte Tierarztpraxis auf.

Der Hund zeigte bereits während der Allgemeinuntersuchung hochgradigen Juckreiz. An beiden Ohrrändern konnten Schuppen und Krusten sowie haarlose Stellen gefunden werden. Um die Augen war eine Art Brillenbildung erkennbar. Am Bauch befanden sich zahlreiche Pusteln, Krusten, Schuppen und vereinzelt flächige Erosionen (Gewebeverlust der Oberhaut) An allen Gelenkvorsprüngen sowie in der Nähe der Pfotenballen konnten ebenso Schuppen und Krusten sowie offene, blutende Hautstellen vorgefunden werden. Im Zuge der dermatologischen Untersuchung wurden Schuppen und Haare entnommen sowie mehrere Hautgeschabsel angefertigt. Weiterhin wurden die Pusten am Bauch eröffnet, deren Inhalt auf einen Objektträger aufgetragen und mittels eines Schnellfärbesystems angefärbt. Alle Proben konnten sofort im Anschluss mikroskopisch ausgewertet werden. Bereits im zweiten mikroskopischen Präparat stand die Diagnose fest: Sarcoptesräude. Mehrere Milben und Eier konnten identifiziert werden. Weitere in Betracht kommende Erkrankungen wurden geprüft und ausgeschlossen.

Der Erreger der Sarcoptes-Räude ist eine Grabmilbe, welche sich in die Haut des Tieres „gräbt“, dort zwei bis drei Eier ablegt, aus welchen später Larven schlüpfen. Diese wiederum durchlaufen zwei weitere Nymphenstadien bis sich anschließend erwachsen Milben entwickeln. Während der Parasit in die Haut eindringt, setzt er bestimmte Stoffe frei (keratolytische Substanzen und Proteine), welche zu einer allergischen Reaktion führen. Dies erklärt den starken Juckreiz! Außerdem führt die allergische Reaktion zu einer Antikörperbildung. Die gebildeten Antikörper können Kreuzreaktionen mit Hausstaubmilbenantigenen im Allergietest verursachen, was in diesem Fall mit Sicherheit Grund des falsch positiven Allergietests war. Die Räudemilbe wird von Tier zu Tier übertragen und gilt als hoch ansteckend! Der Mensch stellt einen Fehlwirt dar und zeigt bei Infektionen Läsionen an Oberarm und Rumpf, welche selbstlimitierend sind.

Klinisches Bild

Das klinische Bild ist dem hier beschrieben typisch. Stellen, an welchen die Erkrankung häufig sichtbar ist, sog. Prädilektionsstellen, sind die Ohrränder, Augenbereiche, Knochenvorsprüngen und der Bauch. Im Vordergrund steht der starke Juckreiz, welcher sich nachts und im Warmen verschlimmern kann.Durch das ständige Kratzen fügt sich das Tier weitere Läsionen zu, welche sich sekundär infizieren. Auch diese Infektion konnte in den entnommenen Präparaten unter dem Mikroskop nachvollzogen werden. Der Nachweis der lebenden Milben und deren Eier ist für eine Diagnose bestätigend. Manchmal kann auch der Kot des Parasiten hinweisend sein. Man sollte beachten, dass die Milbe nur zu 50 % nachweisbar ist. Dies bedeutet, dass eine negative mikroskopische Untersuchung nicht zu deren Ausschluss führt! Liegt jedoch der Verdacht nahe, sollte eine diagnostische Therapie eingeleitet werden. Der in unserer Praxis angebotene Bluttest auf Sarcoptesmilben-Antikörper könnte zur Diagnosefindung hinzugezogen werden, wobei Antikörper erst vier Wochen nach Infektionsbeginn nachgewiesen werden können und somit falsch negative Ergebnisse möglich sind.

Die Therapie der Wahl ist eine akarizide Behandlung mit der gegen die Milbe zugelassenen Medikamente. Diese reichen von Spot-on-Präparaten (Selamectin, Moxidectin/Imidaclopramid) über Tablettengaben (Fluralaner) zu Waschungen (Amitraz) mit speziellen Lösungen. Ivermectin-Injektionen oder Injektionen mit vergleichbaren Molekülen sind nur nach Einhalten der Bedingungen und der Kaskaden des Arzneimittelgesetzes zulässig. Alle Kontaktiere sind der Behandlung zu unterziehen. Pflegeutensilien wie Bürsten und Kämme sollten dabei nicht vergessen werden. Während der ersten Behandlungstage könnte sich der Juckreiz durch das Absterben der Milben kurzfristig verstärken. Der Einsatz zusätzlicher Medikamente (Antibiotika gegen die Sekundärinfektionen, Waschungen oder Juckreiz stillender Medikamente) obliegt dem Ermessen des behandelnden Tierarztes.

Der Neufundländer konnte nach mehrwöchiger Behandlung mittels Spot-on-Präparaten sowie einer dreiwöchigen Antibiotika-Therapie als geheilt entlassen werden.