Primärglaukom beim Hund: eine sehr schmerzhafte & zur Erblindung führende Erkrankung

Vor einem knappen Jahr wurde uns die neunjährige Flat Coated Retriever-Hündin "Lassy" in unserer Augensprechstunde vorgestellt. Sie zeigte ein hochgradig schmerzhaftes linkes Auge. Dies zeigte sich bei ihr durch starkes Zukneifen und sehr schlechtes Allgemeinbefinden: sie hat seit einigen Tagen fast nur noch gelegen und auch schlechter gefressen. Sie wollte sich auch nicht mehr gerne am Kopf anfassen lassen. Das linke Auge zeigte eine starke Rötung der Bindehäute und eine komplette Eintrübung der Hornhaut (Abb. Nr. 1). Das rechte Auge erschien normal. Die Besitzer hatten den Eindruck, dass sie am linken Auge vom Sehen her eingeschränkt war.

Bei der Augenuntersuchung war die Befundung des inneren Auges am betroffenen Auge aufgrund der massiven Hornhauttrübung nicht möglich. Das rechte Auge erschien normal. Uns ist aufgefallen, dass sich die Pupille am gesunden Auge nicht zusammenzieht, wenn man in das kranke Auge geleuchtet hatte (dies sollte bei zwei gesunden Augen aber auf jeden Fall so sein). Der Augeninnendruck lag rechts bei 20 und links bei 92 mmHg (bis 25 mmHg ist es ein normaler Augeninnendruck). Also war der sehr stark erhöhte Augendruck (ein sogenanntes Glaukom oder grüner Star) die Ursache für die Schmerzhaftigkeit.

Aber wie entsteht denn überhaupt ein erhöhter Augeninnendruck?

Es ist wichtig, dass ein Gleichgewicht zwischen Produktion und Abfluss des Kammerwassers besteht. Dazu muss man den Prozess erklären, wie der Verlauf des Kammerwasserflusses ist. Wenn es v.a. beim Abfluss zu Problemen kommt, wie es bei Hunden oft vorkommt, dann steigt der Augeninnendruck an. Das Kammerwasser wird am Ziliarkörper gebildet (direkt hinter der Iris) und fließt dann zwischen der Linse und der Iris durch die Pupille in die vordere Augenkammer. Über den sogenannten Kammerwinkel (zwischen der Hornhaut und der Iris gelegen) fließt das Kammerwasser über ein Trabekelmaschenwerk (ähnlich wie ein Höhlensystem, Abb. Nr. 2) über das venöse System in den Blutkreislauf.

Was sind die Ursachen für einen erhöhten Augeninnendruck?

Es gibt leider sehr viele verschiedene Ursachen, die den Augeninnendruck erhöhen können. Es gibt Primär- und Sekundärglaukome. Bei den Primärglaukomen liegt eine angeborene Veränderung im Kammerwinkel/Trabekelmaschenwerk vor (Punkt 4). Bei den Sekundärglaukomen liegt eine andere Ursache vor (Punkte 1-3).

Ursachen für einen erhöhten Augeninnendruck:

1. eine luxierte oder subluxierte, also verschobene Linse
2. eine mit der Linse verklebte Pupille
3. eine eingeblutete oder stark mit Entzündungszellen belegte Vorderkammer
4. Kammerwinkel (angeborener, oft sehr schlecht angelegter Kammerwinkel, der nur wenig bis keinen Durchfluss ermöglicht)
5. weitere Ursachen, wie z.B. Tumore

Augeninnendruck messen!

Es ist sehr wichtig, bei solch veränderten und schmerzhaften Augen, den Augeninnendruck zu messen - man untersucht und misst sowieso immer beide Augen. Des weiteren sollte eine gründliche Untersuchung des Kammerwinkels am gesunden Auge erfolgen, da die Erkrankung fast immer beidseitig gleich auftritt. Um den Kammerwinkel zu beurteilen ist eine Gonioskopie erforderlich. Diese Untersuchung erfolgt nach einer lokalen Betäubung der Hornhaut mit einem Kontaktglas (Gonioskopielinse). Dies ist meist nur am gesunden, nicht trüben Auge möglich und gibt einen Rückschluss auf die Veränderung am kranken Auge. Diese Untersuchung ist nicht schmerzhaft für die Tiere (Abb. Nr. 3).

Die Gonioskopie wird auch im Rahmen der Zuchtvorsorgeuntersuchung auf erbliche Augenerkrankung durchgeführt, allerdings ist sie nur bei bestimmten Rassen verpflichtend.

Ein Primärglaukom durch eine Goniodysgenesie ist eine schlimme (Erb-)erkrankung am Auge, die sehr schmerzhaft ist und fast immer zur Erblindung führt. Eine Gonioskopie sollte zur Vorsorge durchgeführt werden."

Dr. Nina Müller, Augentierärztin in Pohlheim

Erbkrankheit Goniodysgenesie

Eine Erbkrankheit, eine sogenannte Goniodysgenesie, wird bei folgenden Rassen vermutet: Sibirian Husky, Entlebucher Sennenhund, Flat Coated Retriever, Basset, Samojede, American Cockerspaniel, Englischer Springer Spaniel, Magyar Viszla, Chow Chow, Elo, Bouvier, sowie deren Mischlinge und weitere Rassen.

Leider führt die Erkrankung, wenn es an einem Auge zu einem Glaukom gekommen ist, fast immer zur Erblindung beider Augen. Statistisch gesehen ist es so, dass das gesunde Auge ca. 18 Monate später erblindet, nachdem das eine Auge betroffen ist. Solange der Augeninnendruck erhöht ist, hat der Hund meist schlimme Kopfschmerzen. 
Ab dem Zeitpunkt der Feststellung der Erkrankung sollte das gesunde Auge vorbeugend getropft werden, um den Zeitpunkt der Erblindung hinauszuzögern. Bei der Goniodysgenesie gibt es verschiedene Ausprägungsgrade, milde Formen müssen nicht zwingend zu einem Glaukom führen. Regelmäßige Druckkontrollen sind hier wichtig.

Es gibt natürlich auch Medikamente, die den Augeninnendruck senken. Am besten wirken immer Augentropfen, die lokal eingetropft werden. Tabletten haben starke Nebenwirkungen und sind für die Erkrankung alleine nicht optimal. Diese können die Erkrankung aber nicht heilen, sondern nur den Zeitpunkt der Erblindung hinauszögern. Am Schluss resultiert meistens ein chirurgischer Eingriff. Dabei können die Besitzer zwischen Augen-erhaltenden Operationen (Laserbehandlung oder intraokulare Prothese, Abb. Nr. 4) sowie der Entfernung des Auges wählen (Abb. Nr. 5).