Weimaraner "Atze" hat Lymphkrebs

Atze ist ein 4-jähriger Weimaraner mit der typischen grau-rötlichen Fellfarbe seiner Rasse. Er ist selbstbewusst und von distanzierter Wesensart. Fremde lässt er nicht gern an sich heran. Anfassen wird mit bösem Knurren quittiert. 2009 kommt er in die Praxis mit einer niederschmetternden Diagnose: Lymphkrebs. In einer Tierklinik wurde ein Blutbild erstellt und ein Lymphknotenpunktat entnommen.

Die Diagnose lautet Lymphatische Leukämie. Eine Chemotherapie wird von der Besitzerin konsequent abgelehnt. Intermittierende Fieberschübe quälen den Hund. Seine Temperatur erreicht täglich über 41 Grad. Zehn Tage geht es ihm schlecht, dann ist er fünf Tage fieberfrei. Er trinkt wenig, ist schlapp und verkriecht sich. Seit er krank ist, sucht Atze den warmen Platz an der Heizung. Nachts erbricht er immer wieder und ist unruhig. Seine Nase blutet. Gelegentlich tritt nachts Durchfall auf. Speichel läuft aus dem Fang. Das einzige konstant positive ist sein Appetit. Er frisst immer, auch bei hoher Temperatur.

Walnussgrosse Schwellungen an Atzes Rücken

Am Rücken fallen mehrere walnussgrosse Schwellungen auf. Schon bei leichtem Druck wird Atze sehr böse. Auf der Brust finden sich einige haarlose Stellen. Links ist das Handgelenk etwas verdickt. Seit zehn Wochen humpelt er, obwohl er sich den Schmerz nicht anmerken lässt. Beide Vordergliedmaßen sind stark abgemagert, so dass die Schulterblattgräte heraussteht. Die Krallen splittern. Er macht jedoch einen kämpferischen Eindruck. Wie für Lymphkrebs typisch, sind viele Lymphknoten vergrößert und hart. Am Hals erreichen sie Mandarinengröße. Die Mandeln sind entzündet und geschwollen. Im Rachen klebt weißer Schaum. 

Wie funktioniert die Homöopathie?

Generell funktioniert die Homöopathie nach dem Ähnlichkeitsprinzip. Eine Krankheit kann geheilt werden, wenn die verwendete Arznei beim Gesunden ähnliche Beschwerden hervorruft. Die Kenntnisse darüber gibt es in der Volksmedizin seit Jahrhunderten. Isst z.B. ein Kind versehentlich Beeren der Tollkirsche, bekommt es Vergiftungserscheinungen. Die Pupillen werden riesig. Es bekommt hohes Fieber. Dabei wird es unruhig, schreckhaft und schwitzt. Der Hals schwillt zu, der Puls rast. Es bekommt Wahnvorstellungen. Haben wir nun z.B. einen Katzenwelpen mit einer Virusgrippe, der diese Symptome zeigt, bekommt er eine aufbereitete Dosis der Tollkirsche: einige Kügelchen Belladonna (lateinisch für Tollkirsche). Man kann zusehen, wie sich das Tier beruhigt und in einen tiefen Schlaf fällt. Am nächsten Morgen sind die Beschwerden verschwunden. Die Heilung unter einer homöopathischen Therapie folgt der Hering´schen Regel: Symptome verlagern sich von innen nach außen und von schweren zu weniger schweren Beschwerden. Oft sind mehrere Arzneimittel  nacheinander nötig. Mit einer sog. Repertorisation werden seine Charaktereigenschaften wie Wachsamkeit, Mut, starker Jagdtrieb bewertet. Die Arzneimittelfindung orientiert sich im Unterschied zur Schulmedizin nicht an der Krankheit, sondern an seinen persönlichen Stärken und Schwächen. Bei der gefundenen Arznei handelt es sich um Schwefel. Mit diesem sog. „Konstitutionsmittel“ bügeln wir sozusagen seine persönlichen Schwachpunkte aus.

Nosoden, Tuberkulinum und Arsen

Wegen der riesigen harten Halslymphknoten, der splittrigen Nägel und den kahlen Stellen bekommt er nun wöchentlich Nosoden. Diese Arzneimittel können erbliche Belastungen ausgleichen, die z.B. zu Allergien oder Krebs führen. Sie zählen zu den tiefgreifendsten und wirkungsvollsten überhaupt! Seine Arznei heißt Tuberkulinum. Sie leitet sich ab von der Tuberkulose, weil der Krankheitsverlauf bei Menschen und Haustieren sehr ähnlich ist (s.o. Ähnlichkeitsprinzip). Die dritte Sorte Arznei ist das „Akutmittel“. Es ist für das hohe Fieber mit Durchfall und Erbrechen nachts, der Unruhe, dem Wärmeverlangen und der Tendenz, sich zu verstecken zuständig. Er wird mit Arsen 3x pro Woche behandelt. Nach der Arsen-Gabe geht es ihm zwei Nächte schlechter. Erbrechen und Nasenbluten tritt wieder auf. Eine solche Verstärkung der  Beschwerden nennt man das „Erstreaktion“. Sie bestätigt die Richtigkeit der Arzneiwahl. Nach einer Woche sinkt die Temperatur auf 39,5 Grad. Die Schwellungen der Halslymphknoten werden weicher. Am Rücken gehen sie nach elf Tagen komplett zurück. Nach 14 Tagen gibt es wieder einen Fieberschub mit 40 Grad. Einmal täglich Arsen hilft.

8. Woche: Atze hat seit sechs Wochen kein Fieber mehr. Nun hat er viel weißen Schaum im Hals und kann nicht richtig schlucken. Die Mandeln schwellen wieder stark an, eine weitere wichtige Heilreaktion. Er bekommt Mercurius solubilis (Quecksilber). Nun fällt auf, dass das Handgelenk stark berührungs- und druckempfindlich wird. Atze humpelt. Die Schmerzen sind stark. Deshalb geben wir Calcium fluoratum (Flusspat).

20. Woche : Atzes Beschwerden am Handgelenk erscheinen mal stärker, mal schwächer. Die Mandelentzündung kommt wieder. Am Rücken erscheint plötzlich eine handtellergroße Schwellung, ein Lymphödem. Hier waren am Anfang die dick geschwollenen Lymphknoten. Beides verschwindet auf drei Gaben von Mercurius. Die ausgefallenen Haare wachsen heller nach. Das "Auf & Ab" der Beschwerden ist typisch für den Heilungsverlauf chronischer Krankheiten. Der Körper von Atze arbeitet sie in kleinen Portionen ab. Die knöcherne Schwellung des Handgelenks ist komplett verschwunden. Atze läuft erstmals dauerhaft beschwerdefrei.

Nach 6 Monaten hat sich die Muskulatur an den Armen wieder voll ausgebildet. Sein Normalgewicht hat er erreicht. Atze läuft und springt. Er benimmt sich völlig normal. Wir kommen der Heilung näher. Nach weiteren drei Monaten bekommt Atze Rückenschmerzen nach einem Spaziergang im Regen. Diese Beschwerde ist ein weiteres gutes Zeichen. Nach der homöopathischen Theorie löst sich eine chronische Krankheit im akuten Zustand auf. Der Patient bewältigt den für ihn unverdaulichen Brocken in mehreren einzelnen Häppchen. Diese Happen werden im Verlauf der Heilung immer kleiner und ungefährlicher. Diesmal hilft eine Gabe Rhus toxicodendron (amerikanischer Giftsumach). Nach zwei Tagen bewegt sich Atze schmerzfrei.

16.-24. Monat: Mehrere Ohrenentzündungen stellen sich ein. Am Ohrrand bilden sich Schuppen und Krusten. Im Gehörgang findet sich schmieriges braunes Ohrschmalz. An der Ohrmuschel sind Kratzspuren zu sehen. Einige Krallen brechen und splittern immer wieder. Im Frühjahr setzt plötzlich ein massiver Zeckenbefall ein. Blutsaugende Parasiten haben ein feines Gespür (Geschmack) für den Gesundheitszustand ihrer Wirte. Ist ein Hund zu krank, wollen sie das Blut nicht. Die Zecken bestätigen somit, dass Atze viel gesünder geworden ist. Er bekommt Sulfur (Schwefel) in einer sehr hohen Potenz. Die Zecken verschwinden.

Im dritten Jahr nach Ausbruch der Krebserkrankung hat Atze wieder einmal Rückenschmerzen nach dem Nasswerden - einmal Ohrenentzündung, einmal Brechdurchfall. Dies sind ganz alltägliche akute Erkrankungen, die jeder andere Hund auch bekommen könnte. Sie lassen sich einfach behandeln. Nach sieben Jahren bildete sich eine harmlose Fettgeschwulst am rechten Oberarm. Heute, im 12. Lebensjahr bekommt er aufgrund einer beginnenden Herzschwäche einen ACE-Hemmer, der zur Behandlung der arteriellen Hypertonie (Bluthochdruck) und der Herzinsuffizienz und zur Vorbeugung gegen einen Herzinfarkt eingesetzt wird.