Lokale Parodontitis bei einer Hündin

In unserer zahnmedizinischen Sprechstunde wurde eine 10-jährige, kastrierte Mischlingshündin vorgestellt, die seit zwei Tagen den Fang nicht mehr richtig öffnen und daher schlecht Futter aufnehmen konnte. Den Besitzern fällt schon seit längerem ein einseitiges Kauen - vermehrt linksseitig - und ein starker Geruch aus dem Maul auf. Zudem zeigte die Hündin Schmerzen beim Fressen.

Während der klinischen Untersuchung konnte das Maul der Hündin nur zur Hälfte geöffnet werden, und sie zeigte ein starkes Abwehrverhalten. Im Bereich der massiv mit Zahnstein bedeckten rechten hinteren Backenzähne im Ober- und Unterkiefer war eine hochgradige Entzündung am Zahnfleisch zu erkennen. Auch der Lymphknoten unterhalb der rechten Ohrspeicheldrüse war vergrößert. Nach einer sonst unauffälligen allgemeinen Untersuchung wurde ein präanästhetisches Blut-Profil angefertigt. Das komplettes Blutbild liefert zuverlässigere Hinweise auf Krankheiten, war in diesem Fall jedoch ohne besonderen Befund.

Daraufhin wurde eine Inhalations-Narkose mit entsprechendem Monitoring (Beobachtung, Überwachung) eingeleitet, und die Maulhöhle konnte genau untersucht und die Befunde dokumentiert werden. An beiden rechten Reißzähnen (P4 Oberkiefer und M1 Unterkiefer) und weiteren drei Backenzähnen im rechten Unterkiefer (P4, M2, M3) und eines weiteren Oberkiefer Backenzahnes (P2) war ein massiver Rückgang des hochgradig entzündeten Zahnfleisches (Gingivitis mit Gingivarezession) zu erkennen. Diese Zähne waren hochgradig von Zahnstein bedeckt. Neben tiefen Zahnfleischtaschen waren offene Wurzelgabelungen an den teilweise leicht gelockerten Zähnen zu sondieren. Eitrige Auflagerungen im Bereich der Zahnwurzeln (Konkrement) und Blutungen aus den Zahnfächern waren zu beobachten. Es wurden mehrere intraorale Röntgenbilder angefertigt, und deren Befund (Knochenabbau am Kiefer und Wurzelgranulome) rundete die Diagnose einer hochgradigen, lokalen Parodontitis, einer Entzündung und Lockerung des kompletten Zahnhalteapparates, ab. Die Reißzähne wurden per „offener Extraktion“ gezogen und die gesäuberten Extraktionswunden wurden mittels eines Zahnfleischlappens mit resorbierbarem Nahtmaterial verschlossen. Die anderen betroffenen Zähne konnten ohne chirurgische Eröffnung des Zahnfaches gezogen werden. Auch bei dieser „geschlossenen Extraktion“ erfolgte eine Wundtoilette mit anschließendem Wundverschluss. Die restlichen, als unauffällig eingestuften Zähne wurden zuerst manuell, dann mit Ultraschall-Scaler gereinigt und anschließend poliert.

Initial erhielt die Hündin eine intravenöse Antibiose und während der gesamten Operation wurde über eine Dauertropf-Infusion ein Schmerzmittel verabreicht. Sie erhielt das Antibiotikum und ein nicht-steroidales Schmerzmittel für weitere fünf Tage oral. Für eine Woche wurde Weichfutter gefüttert. Außerdem trug der Hund einen Halskragen, um ein Kratzen an den Zahnfleischnähten zu verhindern. Die Besitzer wurden dazu angehalten, regelmäßig die Zähne der Hündin zu reinigen und zusätzlich eine Chlorhexidin-haltige Lösung zum Auftragen auf Zähne und Zahnfleisch zu verwenden. Regelmäßige Kontrollen wurden angeraten. Bereits am Abend des Operationstages konnte die Hündin wieder normal Fressen und zeigte keine Schmerzäußerungen mehr.

Bakterien, die sich im Maul befinden, lagern sich als Plaque an den Zähnen an. Mineralstoffe im Speichel verfestigen sich zu Zahnstein, dessen raue Oberfläche wiederum das Anhaften weiterer Bakterien begünstigt. Deren Toxine und Stoffwechselprodukte führen zu einer Entzündung des Zahnfleisches und so zu dem üblen Geruch. Gelangen die Bakterien nun auch in den Zahnhalte-Apparat, lockert sich dieser und Bakterien können noch tiefer in den Kieferknochen eindringen (Parodontitis). In schweren Fällen kommt es zu einer schweren Knochenentzündung (Osteomyelitis) mit Zerstörung der gesamten Knochenstruktur. 

Da bereits 75 % aller Hunde, die älter als vier Jahre sind, Anzeichen von Parodontitis aufweisen, sollte die Maulhöhle unserer Vierbeiner unsere vermehrte Aufmerksamkeit bekommen.