Hornhautverletzung bei Mischling "Boomer"

Die Hornhaut stellt das kuppelförmige „Fenster“ des Auges dar. Beim Hund nimmt sie ca. 1/5 der Fläche des Augapfels ein und weist eine Dicke 0,5 bis 1 cm auf. Aufgrund der im Vergleich zum Menschen deutlich höheren Brechkraft, ist die Hornhaut beim Hund von großer Bedeutung für die Sehschärfe und damit Funktionalität des Auges. Dies kann nur durch eine optimale Transparenz gewährleitet werden. Für die Transparenz der Hornhaut sind viele Faktoren essentiell. Neben einer ausreichenden und stabilen Benetzung durch einen funktionalen Tränenfilm, muss zudem eine komplikationsfreie und schnellstmögliche Heilung von Verletzungen gewährleistet sein, um die Transparenz der Hornhaut zu erhalten.

Die Hornhautheilung verläuft als komplexer, koordinierter Prozess ab, an dem viele verschiedene Zelltypen beteiligt sind. Die geringste Störung in diesem zellulären Gleichgewicht führt zu einer unerwünschten Anordnung der neuen Zellen oder gar zur Narbenbildung und damit zu einer Störung der Brechkraft und Verlust der Transparenz. Das Auge verliert an Sehschärfe und Sehkraft.

Hier sind einige Symptome aufgelistet, die eine Verletzung des Auges beim Hund vermuten lassen.

Dr. Anja Engelhardt, Tieraugenspezialist

Es ist von äußerster Wichtigkeit, Hornhautverletzungen schnellstmöglich zu erkennen und von einem Spezialisten untersuchen und behandeln zu lassen, wie im Falle des nun vorgestellten Patienten:

Der Mischling „Boomer“ (Name geändert) kam als Notfallpatient in die tieraugenärztliche Sprechstunde. Boomer ist beim morgendlichen Spaziergang durch ein Gebüsch gelaufen. Plötzlich jaulte er auf und hielt anschließend das linke Auge geschlossen. Das linke Auge tränte stark, und Boomer ließ sich in diesem Bereich nicht anfassen. Seine Besitzerin hat in dieser Situation vollkommen richtig gehandelt und Boomer sofort beim Tierarzt vorgestellt. Dieser überwies den Hund nach einer gründlichen Allgemeinuntersuchung sofort in meine Sprechstunde.

Erste-Hilfe-Maßnahmen, die bei einer Augenverletzung beachtet werden sollten.

Dr. Anja Engelhardt, Tieraugenspezialist

Boomer zeigte eindeutige Schmerzanzeichen im Bereich des linken Auges. Die allgemeine Augenuntersuchung wurde daher unter lokaler Betäubung des Auges durchgeführt und umfasste folgende Untersuchungstechniken:

1. Spaltlampenbiomikroskopie zur Untersuchung der vorderen Augenabschnitte bis hin zur Linse 2. Tonometrie (= Messung des Augeninnendruckes) 3. Funduskopie (= Untersuchung des Augenhintergrundes)

Das linke Auge wies einen die Hornhaut durchstoßenden Fremdkörper auf (Bild 1). Es handelte sich um einen ca. 1 cm langen Dorn, der in der Linse des linken Auges steckte. Die Hornhaut um den Fremdkörper war bläulich eingetrübt, und im Auge selber war eine bräunliche wolkige Verfärbung erkennbar. Die Pupille befand sich in einer sogenannten Schmerz- oder Reflexmiosis, d.h. sie war hochgradig verengt. Aufgrund des perforierenden Hornhautfremdkörpers, verlor das Auge Innenwasser. Dies führte zu einem deutlich erniedrigten Augenninnendruck. Eine Beurteilung des hinter der Linse gelegenen Augenhintergrundes (Netzhaut, Sehnerv) war nur stark eingeschränkt möglich.

Perforierende Hornhautverletzungen zählen zu den augenärztlichen Notfällen und müssen in der Regel schnellstmöglich chirurgisch versorgt werden. Neben der Gewebezerstörung kommt es zu einer Infektion des Innenauges. Besonders im Falle einer Verletzung der Linse, kann diese entzündliche Reaktion bis hin zum Verlust des Auges führen. Verwachsungen zwischen Iris und Linse oder Iris und Hornhaut treten ebenfalls nicht selten auf.

Boomer wurde noch am selben Tag umgehend operiert (Bild 2). Augenoperationen sind mikrochirurgische Eingriffe. Diese finden beim Tier grundsätzlich in Vollnarkose statt und werden unter dem Operationsmikroskop vorgenommen. Das Auge wird mittels steriler Folien abgedeckt. Der Fremdkörper wurde mittels eines Mikroskalpells aus der Hornhaut entfernt und das Augeninnere wurde intensiv gespült. Es handelte sich um einen ca. 1cm langen Dorn (Bild 3). Die Linsenverletzung konnte nach Entfernung des Dorns als „gering“ eingestuft werden. Aufgrund dessen war eine zusätzliche chirurgische Entfernung der Linse (Phakoemulsifikation) nicht erforderlich. Allerdings musste der entstandene Hornhautdefekt mittels eines sogenannten gestielten Bindehautlappentransplantates abgedeckt werden. Hierbei wird aus der den Augapfel umgebenden Bindehaut einer kleiner, dünner Lappen präpariert und mittels Nahtmaterial in den Hornhautdefekt eingenäht (Bild 4).

Die anschließende medikamentöse Behandlung von Boomer umfasste diverse Augentropfen sowie entzündungshemmende und antibiotisch wirksame Tabletten. In der Heilungsphase von zwei Wochen musste Boomer konsequent einen Halskragen tragen und an der Leine gehen. Auch Kontakt zu anderen Tieren war aufgrund des Infektionsrisikos untersagt. Das Bindehautlappentransplantat ist bei Boomer reizlos eingeheilt (Bild 5). Nach einem Jahr blieb von der massiven Verletzung der Hornhaut lediglich eine kleine Hornhautnarbe, eine dezente Verklebung zwischen der Iris und der Linse und ein punktförmiger grauer Star (Trübung der Linse) im Bereich der Eintrittstelle des Dorns zurück (Bild 6). Das Auge ist reizlos, und Boomer zeigt keine Hinweise einer Seheinschränkung.

Er wird regelmäßig einmal jährlich zur Kontrolluntersuchung in meiner augenärztlichen Tierarztpraxis vorgestellt.