Diagnose "Grauer Star": Für immer blind?

Eigentlich sollte man meinen, dass die sechsjährige Terrier-Mix Hündin Frieda im letzten halben Jahr schon genug durchmachen musste. Damals wurde bei Frieda nämlich ein Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) festgestellt. Nach vielen Tierarztbesuchen und unzähligen Laboruntersuchungen konnte die Erkrankung mit täglichen Insulinspritzen gut kontrolliert werden und Frieda erholte sich zusehends. Eine Woche bevor uns Frieda vorgestellt wurde, stellten die Besitzer eine Rötung und leichte Trübung der Augen fest. Dies verschlimmerte sich rapide und am Tag der Untersuchung lief Frieda bei der Morgenrunde gegen eine Mülltonne, stolperte über den Bordstein und war zunehmend unsicher in ungewohnter Umgebung. In unserer Praxis stand schnell fest: Frieda hat einen „Grauen Star“, eine sogenannte Katarakt (Bild 1).

Warum wird eine Linse trüb?
Ein Grauer Star entsteht durch Eintrübung der sonst transparenten Linse. Die Linse im Auge ist für das Scharfsehen und Scharfstellen von Bildern in Nähe und Ferne (Akkomodation) verantwortlich. Trübt sich diese ein, ist auch das Sehvermögen eingeschränkt. Der beim Menschen bekannte „Altersstar“ ist beim Hund nur selten Grund für eine Linsentrübung. Häufiger sind erbliche Ursachen, die durch einen Gendefekt hervorgerufen werden, wie wir es bei praktisch allen Hunderassen sehen können, aber auch ein schweres Trauma (Bissverletzung) oder Entzündungen des Augeninneren können zu einem „Grauen Star“ führen. Störungen im Zuckerstoffwechsel infolge eines Diabetes führen bei ca. 80 % der Hunde innerhalb eines Jahres nach Diagnose-Stellung der Zuckerkrankheit zu einer Eintrübung der Linse. Meist trübt sich die Linse sehr rasch innerhalb von Tagen ein und führt zu einer akuten Blindheit. So auch bei Frieda.

Da es keine medikamentelle Therapie für einen Grauen Star gibt, entschieden sich die Besitzer für eine operative Maßnahme, um Frieda ihre alte Lebensqualität wieder zurück zu geben. Nach ein paar wenigen speziellen Voruntersuchungen (Ultraschall, Funktionsüberprüfung der Netzhaut und Kammerwinkel-Untersuchung zur Beurteilung, ob die Veranlagung für einen Grünen Star besteht) bekam Frieda grünes Licht für die eigentliche Operation.

Der große Tag ist gekommen...
Die Operation fand in Allgemeinnarkose statt und dauerte insgesamt zwei Stunden. In der Operation wurde das Auge vorsichtig mit einem kleinen Schnitt eröffnet und das trübe Linsenmaterial mittels einer speziellen Vorrichtung zunächst zerkleinert und dann abgesaugt. Diesen Vorgang nennt man in der Augenheilkunde Phakoemulsifikation. Anschließend wird eine Kunstlinse aus Acryl oder einem anderen Kunststoff eingesetzt, die die Funktion der alten Linse übernimmt. Die gesamte Operation fand – so wie auch die meisten anderen Augenoperationen- unter einem Operationsmikroskop statt. In der Regel eine sehr erfolgreiche Operation, die auch bei Frieda ohne Komplikationen verlief. Nachdem sie aus der Narkose aufgewacht war und der Zuckerwert nochmals kontrolliert wurde, konnte sie endlich zu ihren aufgeregten Besitzern zurück, welche sie schon von Weitem schwanzwedelnd und fiepend begrüßte – nicht weil sie sie hörte, sondern weil sie Herrchen und Frauchen endlich wieder sehen konnte.

Die Zeit danach...
Die nächsten vier Wochen musste Frieda in ihrer Aktivität noch ein wenig gebremst werden, damit beide Augen gut verheilen konnten. Zudem erhielt sie verschiedene Augentropfen. Nach drei Kontrolluntersuchungen, in denen wir eine gute Wundheilung und ungestörtes Sehvermögen feststellen konnten, durfte Frieda endlich wieder mit ihren Freunden von der Hundewiese toben (Bild 2). 

Dieser Fall repräsentiert einen von vielen Augenpatienten, die uns täglich mit den unterschiedlichsten Symptomen vorgestellt werden. Blindheit ist zu Recht ein sehr gefürchteter Verlust, sowohl für Besitzer als auch Patient. Daher sollte eine schnelle Konsultation bei einem Augenspezialisten und eine ausführliche Augenuntersuchung durchgeführt werden. Häufig hören wir den Satz: „Mein Hund ist blind, aber er ist ja auch schon 12 Jahre alt.“ Aber Alter ist kein Grund für eine Erblindung!