Chihuahua Bailey: Geburt mit Hindernissen

Im Frühjahr stand eine besorgte Besitzerin mit ihrer Chihuahua-Hündin „Bailey“ in unserer Praxis. Die Hündin sei vor etwa zwei Monaten bedeckt worden, die Haustierärztin habe auch  einen Welpen im Mutterleib ertasten können, aber bei den Röntgenaufnahmen vor einer Woche sei dann kein Welpe mehr zu sehen gewesen. Nun sei die Hündin unruhig, verhalte sich eigenartig.

Nun kann ein Abort, zumal in einem so späten Trächtigkeitsstadium, gravierende Folgen auf die Gesundheit des Muttertieres haben. Abgestorbene Welpen werden in dieser Phase nicht mehr vom Körper der Mutter resorbiert, sprich abgebaut, sondern müssen über den normalen Geburtsweg abgehen. Bei toten, unbeweglichen, möglicherweise auch mumifizierten und folglich verhärteten Früchten keine leichte Aufgabe. Verlassen die verstorbenen Welpen den Mutterleib nicht rechtzeitig, führt dies zu Entzündungen, der Bildung von Toxinen und letztlich einem lebensbedrohlichen Zustand für die Hündin. Die Sorge der Besitzerin war also absolut berechtigt.

Die Trächtigkeit war keinesfalls abgebrochen!

Das Röntgenbild gab den Blick auf vier normal entwickelte Welpen frei. Das Ultraschallbild bestätigte die Lebensfähigkeit aller Früchte. Die Rastlosigkeit der Mutter war damit auf glücklichste Art und Weise erklärt. Zwei Wochen später war es dann so weit. Aufgelöst rief die Besitzerin uns an und berichtete vom Abgang einigen Fruchtwassers, den Wehen der Hündin. Es erschien allerdings kein Welpe.

Normalerweise beginnt die Geburt nach einer Schwangerschaft von durchschnittlich 63 Tagen, und der erste Welpe zeigt sich spätestens vier Stunden nach Austritt des ersten Fruchtwassers. Treten starke Presswehen ein, sollte es höchstens noch 30 Minuten dauern, bis der erste Welpe das Licht der Welt erblickt. Zwischen der Geburt zweier Welpen sollten nicht mehr als zwei Stunden liegen. Wenn eine Geburt doch ins Stocken gerät, kann dies viele Ursachen haben:

Geburtsstörungen seitens der Mutter
− Wehenschwäche, auch durch Verbrauch des für Muskelarbeit notwendigen Kalziums
−  anatomische Fehlbildungen oder Verletzungen im Beckenbereich
− Einengung des Geburtsweges durch Verletzungen und Vernarbungen in Uterus und Vagina
− sonstige Verletzungen im Bauchraum (Hernien)
− ungerichtetes Pressen aufgrund starker Unsicherheit einer unerfahrenen Hündin

Geburtsstörungen seitens der Feten
− Fehlbildungen
− im Vergleich zum Muttertier relativ zu großer Körper
− für das Passieren des Geburtswegs zu großer Kopf

Letzteres ist gerade bei Chihuahuas mit ihren großen, runden Köpfen durchaus eine Möglichkeit, die einem in einem solchen Moment in den Sinn kommt. Wir entschieden uns, Bailey zu uns in die Praxis bringen zu lassen. Sie selbst war in guter Verfassung, ihre Wehen kamen kräftig in regelmäßigen Intervallen. Ein Röntgenbild brachte jedoch ans Licht, weswegen die Geburt nicht in die Gänge kommen wollte: Der erste Welpe befand sich in Hinter-Endlage auf dem Rücken liegend. An sich ist eine Geburt mit den Hinterbeinen voran beim Hund möglich, doch die Drehung des Fetus auf den Rücken verhinderte, dass sich sein Körper dem Geburtsweg seiner Mutter anpassen konnte. Er steckte fest. Von vaginal ließen sich seine Füßchen greifen und sein Körper in eine halbwegs aufgerichtete Position bringen – bei einer Mutter in der Größe eines Chihuahua kein leichtes Unterfangen – doch mit jeder Wehe drehte er sich wieder in die alte Lage zurück.

Als im Ultraschall die Herzfrequenz der übrigen Welpen sank, stand fest, dass ein Kaiserschnitt gemacht werden musste, um den Wurf und die Mutter zu retten. Das ganze Praxisteam versammelte sich im OP, um Baileys Babys auf die Welt zu helfen. Für den kleinen Unglücksvogel, der verkehrt herum geboren werden wollte, kam leider jede Hilfe zu spät. Er konnte nur noch tot geborgen werden. Die übrigen drei Welpen jedoch waren quietschlebendig entwickelt, trockengerubbelt und lagen wenige Minuten nach der OP bereits schmatzend am Gesäuge ihrer Mutter.

Auch wenn der Verlust des einen Welpen einen Wermutstropfen darstellt, sind sowohl die Besitzerin als auch unser Praxisteam glücklich darüber, drei so zauberhaften Hunden auf die Welt geholfen zu haben. Alle drei erhielten bei uns ihre medizinische Erstversorgung, ihre ersten Impfungen und sind auch mit ihren neuen Besitzern noch immer bei uns in Behandlung, wenn mal was zwickt.

Mein Rat
Besitzer einer tragenden Hündin sollten unbedingt den Tierarzt kontaktieren, um eine röntgenologische Untersuchung vor der Geburt durchführen, sich auf individuelle Besonderheiten hinweisen zu lassen und die Welpen zu zählen. Gerade, wenn es die erste Hundegeburt darstellt. Der Tierarzt klärt sehr gründlich über das auf, was alles auf Hund und Besitzer zukommt und nimmt dadurch die letzten Unsicherheiten. Hätte im beschriebenen Fall die besorgte Besitzerin nicht zum Telefon gegriffen und uns kontaktiert, wären Bailey und alle ihre Welpen vermutlich verstorben.