Gesundheitliche Risiken der neuen Trendfarben

Der silberfarbene, eineinhalbjährige, nicht kastrierte Labradorrüde Max wird im November 2018 in unserer dermatologischen Sprechstunde vorgestellt. Seiner Besitzerin ist aufgefallen, dass er seit dem siebten Lebensmonat an einigen Körperstellen zunehmend Haare verliert. Einen begleitenden Juckreiz zeige der Rüde laut ihrer Aussage nicht. Von einem weiteren silberfarbenen Welpen des Wurfes weiß die Halterin, dass auch dieser unter Haarverlust am Rumpf leidet. Die weiteren Geschwister, sowie Max' Eltern seien augenscheinlich nicht betroffen.

Die Besitzerin des Hundes möchte nun wissen, woran er erkrankt ist und ob es Möglichkeiten zur Heilung oder Therapie gibt. Bei dem Rüden erfolgte bisher keine regelmäßige Flohkontrolle. Auch ist er noch nicht vorbehandelt worden. Bei der dermatologischen Untersuchung fällt auf, dass Max weniger Haare (Hypotrichose) am Kopf, an den Ohrmuschelaußenseiten, beidseits seitlich am Rücken, an Bauch und Brust sowie an den Gliedmaßenaußen- und Innenseiten hat. Diese sind heller und erscheinen zum Teil kürzer. Die Haut der betroffenen Stellen ist schuppig. Eine Untersuchung auf Flöhe oder Flohkot verläuft negativ. Auch eine Untersuchung der Haare mittels einer fluoreszierenden Lampe (Woodsche Lampe) zeigt keine Hinweise auf Hautpilze (Dermatophyten). Da diese Untersuchung jedoch nur bei einem positiven Befund beweisend ist, werden zusätzlich ein paar Haare und Hautschuppen zur weiteren Diagnostik ins Labor eingesendet. Des Weiteren werden oberflächliche und tiefe Hautgeschabsel entnommen. Abklatschpräparate zur mikroskopischen Untersuchung der angefärbten Zellen (zytologisches Präparat) werden erstellt. Zusätzlich werden Max vorsichtig mit einer Pinzette ein paar Haare mit Haarwurzeln ausgezupft, um sie unter dem Mikroskop näher zu untersuchen (Trichographie).

Keine Hinweise auf Ektoparasiten

Beim Auswerten der Proben werden keine Hinweise auf Ektoparasiten - Haarbalgmilben (Demodikose), Räudemilben (Sarcoptesräude) oder Pelzmilben (Cheyletiellose) - gefunden. Auch verläuft die Untersuchung auf sekundäre Infektionen mit Bakterien (Pyodermie) oder Hefepilzen (Malassezien-Dermatitis) negativ. Auffällig ist jedoch eine ungleichmäßige Verteilung der Melanosomen in Max` Haarschäften und Haarwurzeln. Melanosomen speichern und transportieren das Pigment, welches für die Farbe von Haut und Haaren verantwortlich ist (Melanin). An einigen Stellen scheinen die Melanosomen vermindert vorhanden zu sein, an anderen Stellen sind sie deutlich vergrößert (Makromelanosomen) und verklumpt. In diesen Bereichen sind die Haare häufig abgebrochen. Aufgrund der mikroskopischen Befunde in Verbindung mit Max' Haarfarbe und dem zeitlichen Auftreten der Symptome kann eine erste Verdachtsdiagnose getroffen werden.

Es werden mittels einer Hautstanze Hautproben entnommen und diese für die histologische Untersuchung (Untersuchung des Gewebes unter dem Mikroskop) zu einem Veterinär-Pathologen gesendet. Nach ein paar Tagen besteht Gewissheit: Max leidet unter einer Farbmutanten-Alopezie (Alopezie = Haarausfall)!


Um die Krankheit besser zu verstehen zu können, sollte erklärt werden, dass es nur durch eine „Verdünnung“ der ursprünglichen Fellfarbe zur Ausprägung bestimmter Haarfarben kommen kann (11). Diese Farbverdünnung wird durch Mutation eines bestimmten Gens hervorgerufen (MLPH, Melanophilin-Gen), das bei vielen Säugetierarten, Vögeln und dem Menschen vorkomt (2,8,11). Es wird vermutet, dass die Farbverdünnung durch einen veränderten Transport der Melanosomen innerhalb des Haares entsteht (1). Durch die irreguläre Verteilung der Melanosomen erscheint das Haar insgesamt heller (4). Dabei wird praktisch jede vererbte Fellfarbe „verdünnt“. So entsteht aus schwarz „blau“ („charcoal“), aus braun „grau“ („silber“), aus hellen Hunden „cream“ („champagner“) (4,7). Im Erbgut des Hundes liegt das MLPH-Gen in einer von der Mutter und einer vom Vater vererbten Kopie vor. Beide Kopien können je nach Erbgut der Eltern in der unveränderten Wildtyp-Form (als „D“ bezeichnet) oder der veränderten Form („d“) vorliegen. Während „D“ für eine volle Ausprägung der Fellfarbe sorgt, führt „d“ zu einer Aufhellung der ursprünglichen Farbe, also einer Farbverdünnung (5). Da das D-Allel jedoch dominant gegenüber „d“ wirkt, kommt es nur zur Ausprägung der verdünnten Fellfarbe, wenn beide Kopien des Gens in der veränderten d-Form vorliegen (autosomal-rezessive Vererbung) (3,5). Daher gibt es Hunde, die das Gen in sich tragen („D/d“) und somit auch weitervererben können und solche, bei denen es auch zur Ausprägung kommt („d/d“) (5).

Die Farbmutantenalopezie (CDA) tritt nur bei Hunden auf, die das Gen für die Farbverdünnung in reinerbiger Form (d/d) tragen."

Dr. Filiz Hesselmann, Oberärztin

Farbmutantenalopezie (CDA)

Die Farbmutantenalopezie (colour dilution alopecia - CDA) tritt nur bei Hunden auf, die das Gen für die Farbverdünnung in reinerbiger Form (d/d) tragen (5). Es erkranken jedoch nicht alle farbverdünnten Hunde auch an der CDA. Es scheint weitere zum Teil rassespezifische, genetische Faktoren zu geben, die für den Ausbruch verantwortlich sind (6). Häufig betroffen sind Pinscher, Dobermänner und blaue Doggen (7,8,13). Allerdings kann theoretisch jeder Hund mit verdünnter Fellfarbe erkranken (7)!

Dabei entsteht die CDA erst, wenn es durch die gestörte Speicherung und Transport der Melanosomen und der Bildung von Melaninverklumpungen zu strukturellen Veränderungen und zur Instabilität des Haares kommt (4). Die Haare brechen an den betroffenen Stellen ab und es kommt zum Haarausfall (12). Erste Veränderungen in Form von stumpfem Fell, trockener, schuppiger Haut und Haarverlust können ab einem Alter von sechs Monaten sichtbar werden (4,9,7). Betroffen sind hierbei vor allem die Hinterseite der Ohren, der gesamte Rumpf sowie die Gliedmaßen (10). Zusätzlich können sekundäre Infektionen der Haut zu Entzündungen und Juckreiz führen (10, 9). Die CDA ist nicht heilbar (7). Es ist lediglich möglich, die schuppige, trockene Haut durch feuchtigkeitsspendende Shampoos, Sprays und Conditioner zu pflegen und Sekundärinfektionen zu behandeln (10,9,7).

Max' Haut und Haare zeigen keinerlei Hinweise auf Infektionen. Auch die Untersuchung auf Hautpilze im Labor verläuft negativ. Daher wird er zunächst mit einem feuchtigkeitsspendenden Shampoo und spot-on-Präparaten behandelt. Zur Prophylaxe von Ektoparasiten bekommt der Patient zusätzlich ein Präparat zum Auftragen auf die Haut.

Die Besitzerin des Hundes berichtet bei einer Nachkontrolle nach vier Wochen, dass das Baden problemlos möglich sei. Seine Haut weist schon deutlich weniger Schuppen auf. Auch wenn sie nun weiß, dass es sich bei der CDA um eine nicht heilbare, genetische Erkrankung handelt, die lebenslang symptomatisch behandelt werden muss, ist sie froh zu wissen, wie sie seine Symptome lindern kann. Da derzeit nicht klar ist, welche weiteren Faktoren zum Ausbruch der Krankheit führen, werden am Institut für Genetik der Universität Bern Studien hierzu durchgeführt. Wir haben Max als Studienteilnehmer angemeldet und der Universität Haar- und Blutproben als Untersuchungsmaterial zugesendet.

Eines weiß die Besitzerin jedoch sicher: Max soll keine Nachkommen zeugen! Denn nur durch den Zuchtausschluss der Eltern, Wurfgeschwister und betroffenen Tiere kann verhindert werden, dass die Erkrankung in die nächste Generation weitervererbt wird.


Quellenverzeichnis:

(1)  Barral, D.C. & Sebra, M.C. (2004): The melanosome as a model to study organelle motility in mammals. Pigment Cell Research 17, 111-8.  
(2) Bauer, A., Kehl, A., Jagannathan, V., Leeb, T. (2018): A novel MLPH variant in dogs with coat colour dilution. Stichting International Foundation for Animal Genetics 49, 94-97
(3) Beco, L., Fontaine, J., Gross, T.L., Charlier, G. (1996): Colour dilution alopecia in seven Dachshunds. A clinical study and the hereditary, microscopical and ultrastructural aspect of the disease. Veterinary Dermatology 7, 91-97.
(4) Boeta, A. M. R. (2016): Diagnosis of alopecia in dogs and cats. 1. Auflage. Servet editorial – Grupo Asis Biomedia, S.L., Zaragoza.  
(5) Drögemüller, C., Philipp, U., Haase, B., Günzel-Apel, A.-R., Leeb, T. (2007): A Noncoding Melanophilin Gene (MLPH) SNP at the Splice Donor of Exon I Represents a Candidate Caudal Mutation for Coat Color Dilution in Dogs. Journal of Heredity 98(5), 468-473.
(6) Institut für Genentik, Universität Bern: „ Colour dilution alopecia (Farbmutantenalopezie) bei verschiedenen Rassen“, unter http://www.genetics.unibe.ch/f... (abgerufen am 21.2.2019)
(7) Kim, J.-H., Kang, K.-I., Sohn, H.-J., Woo, G.-H., Jean, Y.-H., Hwang, E.-K. (2005): Color-dilution alopecia in dogs. Journal of Veterinary Science 6(3), 259-261.
(8) Miller, W.H. (1990): Colour dilution alopecia in Doberman Pinscher with blue or fawn coat colours: A study on the incidence and histopathology of this disorder. Veterinary Dermatology 1, 113-121.
(9) Noli, C., Scarampella, F., Toma, S. (2013): Praktische Dermatologie bei Hund und Katze. 3. Auflage. Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Hannover.  
(10) Peters, S., Koch, H.-J. (2014): Dermatologie-Atlas Hund. 1. Auflage. Enke Verlag, Stuttgart.
(11) Philipp, U., Hamann, H., Mecklenburg, L., Nishino, S., Mignot, E., Günzel-Apel, A.-R., Schmutz, S. M., Lee, T. (2005): Polymorphisms within the canine MLPH gene are associated with dilute coat colour in dogs. BMC Genetics 6, 34.  
(12) Rhodes, K. H., Werner, A. H. (2018): Small Animal Dermatology. 3. Auflage. John Wiley & Sons, Hoboken.
(13) Richman, A. W. & Griffin, C. (2018): Trichographic features of hair from normal black Doberman pinscher dogs. Veterinary Dermatology 29, 385-e 128.