Mischlingshündin Emma und der "Grüne Star"

Die Mischlingshündin Emma kniff plötzlich eines Morgens ihr linkes Auge zu. „Sie hat sicher nur Zug bekommen“, dachten die Besitzer und gaben Euphrasia-Augentropfen aus der Apotheke. Da Emma nach zwei Tagen das Auge immer noch nicht richtig aufmachte, gingen sie zu ihrem Haustierarzt und bekamen eine antibiotische Augensalbe. Als sich der Zustand nach drei Tagen auch damit nicht besserte, wurden sie in unsere Praxis überwiesen, die ausschließlich auf Augenheilkunde spezialisiert ist. 

Wir stellten fest, dass die Pupille erweitert war (Abb. 1), und dass sich an dem weißen Teil des Auges, der sichtbar wird, wenn man das Oberlid nach oben zieht, viele Blutgefäße zeigten (Abb. 2). Wenn diese Symptome vorliegen, muss man an einen erhöhten Augeninnendruck denken. Der Druck wurde gemessen und betrug 70 mmHG (Millimeter-Quecksilbersäule - Abb. 3). Der Normalwert liegt zwischen 10 und 20 mmHG. Somit bestätigte sich die Diagnose, dass Emma unter einem erhöhten Augeninnendruck mit all seinen Folgen litt. Diese Erkrankung wird auch "Glaukom" oder "Grüner Star" genannt.

Starrer Blick

Das Wort „Glaukom“ wurde von Aristoteles geprägt. Es bedeutet blau-grün-schimmernd. Damit beschrieb er den grünlichen Schimmer, der bei einer entzündeten Regenbogenhaut aufgrund eines erhöhten Augeninnendrucks auftritt. Im 18. Jahrhundert wurde „Glaukom“ mit „Grüner Star“ übersetzt, wobei „Star“ für den starren Blick eines blinden Menschen steht. 

Das Glaukom entsteht, wenn die klare Flüssigkeit (Kammerwasser), die permanent im inneren Auge gebildet wird, nicht mehr ablaufen kann. Der Abfluss liegt in dem Winkel zwischen Hornhaut und Iris, dem Kammerwinkel (Abb. 4). Aufgrund einer Erkrankung, die von Geburt an in den Genen festgelegt ist, also erblich bedingt ist, verschließt sich der Kammerwinkel irgendwann im Laufe des Lebens plötzlich, und der Augeninnendruck steigt auf sehr hohe Werte an. Um den Augeninnendruck zu senken bekam Emma spezielle Augentropfen. Daraufhin fiel der Druck auf 17 mmHG, also in den Normalbereich. Aber das Auge war für immer erblindet, da die Netzhaut zu lange dem sehr hohen Augeninnendruck ausgesetzt war. Dadurch sterben die Nervenzellen der Netzhaut ab. Ein Auge kann dann innerhalb von wenigen Stunden für immer erblinden.

Ohne die dauerhafte Gabe von Augentropfen würde der Druck bei Emma wieder ansteigen. Ein hoher Augeninnendruck zerstört nicht nur die Netzhaut, er verursacht auch starke Schmerzen. Das zeigen die Tiere meistens nur, indem sie das Auge zukneifen. Emma bräuchte also lebenslang teure Augentropfen für ein blindes Auge, damit es nicht ständig schmerzt. In diesem Fall ist es für den Hund und für die Besitzer besser, das Auge operativ entfernen zu lassen oder eine Prothese einzusetzen. Diese sieht fast wie ein normales Auge aus und wird nur aus optischen Gründen eingesetzt. Aufgrund der erblich bedingten Grunderkrankung kommt es irgendwann zwangsläufig auch im zweiten Auge zu einem Druckanstieg. Schlimmstenfalls wird dieses dann das gleiche Schicksal erleiden. Um in diesem Fall nicht einen Hund ganz ohne Augen zu haben, haben sich die Besitzer aus optischen Gründen für die Prothese entschieden (Abb. 5).

Vier Monate später kniff Emma plötzlich ihr verbliebenes, sehendes Auge zu. Das Frauchen zog das Oberlid nach oben und sah, dass an dem weißen Teil des Auges viele rote Äderchen zu sehen waren. Mit diesem einfachen Test kann jeder Hundebesitzer selbst erkennen, dass eventuell eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt. Damit wusste sie, dass der Augeninnendruck angestiegen war und sie jetzt keine Minute verlieren durfte. Sie gab Emma die drucksenkenden Tropfen, die sie für diesen Notfall bekommen hatte und rief sofort in der Praxis an. Als Emma 20 Minuten später bei uns ankam, wurde der Augeninnendruck gemessen, der bei 67 mmHG lag. Wir ließen sofort mit einer kleinen Kanüle etwas Flüssigkeit aus dem Auge ab, was den Druck wieder in den Normalbereich brachte. Zusätzlich bekam Emma noch eine spezielle Infusion, weitere drucksenkende Augentropfen, und auch Medikamente, damit nicht noch mehr Sehzellen in der Netzhaut absterben. Am Abend stieg der Augeninnendruck trotz aller Medikamente wieder an. Wenn die Medikamente nicht ausreichen um den Druck zu senken, ist die letzte Chance eine Operation. Emma wurde in Narkose gelegt, und das Auge wurde gelasert (Abb. 6). Dadurch sank der Druck in den Normalbereich und Emma konnte wieder sehen. Die Augentropfen müssen auch nach der Laseroperation weiterhin verabreicht werden, und auch der Druck muss regelmäßig kontrolliert werden.

Bestimmte Hunderassen neigen erblich bedingt zu einer Missbildung des Abflusses für das Kammerwasser im Auge, wodurch es dann zu einem Anstieg des Augeninnendrucks kommen kann. Mit einer einfachen Untersuchung, der Gonioskopie, kann dieser Abfluss untersucht werden. Damit weiß man, ob ein Hund einen normalen oder einen krankhaft veränderten Kammerwinkel hat. Seriöse Züchter lassen diese Untersuchung bei ihren Hunden durchführen und züchten nur mit gesunden Hunden. Deshalb sollte beim Hundekauf von einem Züchter immer nachgefragt werden, ob die Elterntiere auf erbliche Augenerkrankungen untersucht wurden. 

Leider erblinden Hunde häufig aufgrund eines Glaukoms, auch wenn alle medizinisch möglichen Maßnahmen angewendet werden. Deshalb ist es wichtig, dass mit betroffenen Hunden und ihren Eltern und Geschwistern nicht weiter gezüchtet wird.