Generalisierte Demodikose - "Whisky's Hautprobleme"

„Wenn’s juckt, sind es Milben!“ Dieses Gerücht hält sich bei vielen Hundebesitzern standhaft und einige kommen mit bereits gestellter Diagnose in die Praxis, um sich nur schnell ein Medikament abzuholen. So einfach ist es aber nicht. Milbenerkrankungen beim Hund gibt es in verschiedenen Formen - und dabei muss es gar nicht immer jucken...

Whisky, eine 14 Monate alte, normalerweise quietschfidele Mopshündin, hatte bereits seit über einem halben Jahr starke Hautprobleme. Als sie zu uns in die Praxis kam, war sie gegen Milben und wegen eines Flohbefalls bereits mehrfach vorbehandelt worden. Doch trotz der Gabe verschiedener Spot-on-Präparate auf den Nacken war Whiskys Zustand katastrophal und wurde seit zwei Monaten kontinuierlich schlechter. Mittlerweile hatte sie ein Kilogramm Körpergewicht abgenommen und wog nur noch 4,5 kg – eine ganze Menge unfreiwilligen Gewichtsverlustes bei so einem kleinen Mops. Sie hatte Kahlstellen besonders am Kopf und am Hals, an den Beinen, Pfoten, am Schwanzansatz und im Analbereich, teilweise auch leicht nässende Krusten. Am Bauch zeigten sich einzelne Eiterpusteln und ebenfalls Kahlstellen. Die Haut war an einigen Stellen verdickt, schwarz pigmentiert und roch unangenehm. Beide Ohren waren stark entzündet.
Der andere im Haushalt lebende Hund hatte keine Probleme, auch die Besitzerin selber nicht. Angefangen hatte der Fellverlust am Kopf und an den Beinen und der Juckreiz, auf einer Skala von 0 (kein Juckreiz) bis 10 (maximaler Juckreiz), hatte sich laut Besitzerin von ca. 2 auf 8 verstärkt. Die Ausprägung des Juckreizes, die Verteilung der Hautveränderungen am gesamten Körper und weitere Fragen, zum Beispiel ob Kontakttiere und -personen ebenfalls Hautprobleme haben oder ob der Hund im Ausland war, sind für den Tierarzt wichtige Puzzlesteine für die Aufarbeitung einer Hauterkrankung und den Weg zur richtigen Diagnosestellung.

Hautgeschabsel für die Diagnostik - eine einfache Technik der Probenentnahme in der Dermatologie

An mehreren veränderten Stellen wurden bei Whisky Hautgeschabsel entnommen. Hierfür wurden die Hautschichten mit einer abgestumpften Skalpell-Klinge an mehreren Stellen abgeschabselt bis es leicht blutete. Die abgetragenen Hautschichten mit Haarwurzeln wurden auf einen Objektträger mit etwas Öl vermischt und anschließend unter dem Mikroskop begutachtet. Diese Untersuchung klingt schlimmer als sie ist – Whisky zeigte keinerlei Abwehrbewegungen, die kratzende Klinge schien ihr sogar ein bisschen den Juckreiz zu nehmen. Frauchen und Whisky nahmen im Wartezimmer Platz, Tierärztin und Objektträger wanderten ins praxiseigene Labor und schon nach kurzer Zeit konnte das Ergebnis mitgeteilt werden. Unter dem Mikroskop waren massenhaft Demodex-Milben zu sehen.

Demodex-Milben: Harmlose Mitbewohner oder Krankheitsursache?

Demodex-Milben sind auch in der Haut gesunder Hunde zu finden. Sie leben vor allem in den Haarfollikeln, der Verankerung der Haares in der Haut. Ein normal ausgeprägtes Immunsystem hält die Anzahl der Milben in Schach. Kommt es jedoch zu einer Immunsuppression - entweder durch eine andere Erkrankung oder, weil das Immunsystem noch nicht stark genug ausgeprägt ist - können sich die ansonsten harmlosen Demodex-Milben ungestört vermehren. Passiert das an ein oder zwei Stellen, ist das nicht weiter schlimm: es entsteht eine Kahlstelle, die den Hund aber nicht weiter stört und auch keinen Juckreiz auslöst. Sie verschwindet in den meisten Fällen von alleine wieder und braucht keine Therapie. Anders bei der generalisierten Form, wie sie bei Whisky vorlag. Ist der ganze Körper in Mitleidenschaft gezogen, kann das ohnehin schwache Immunsystem die Milben nicht mehr bekämpfen und benötigt Hilfe von außen.

Heilung und Durchhalten

Da mehrere Therapien bei Whisky bereits probiert und leider erfolglos gewesen waren, nahmen wir ein Ivermectin-Präparat dazu - Ivermectin wird in der Tiermedizin als Arzneistoff zur Behandlung und Vorbeugung gegen durch Ektoparasiten oder Fadenwürmer verursachte Infektionskrankheiten (Parasitose, Helminthiasis) eingesetzt. Whisky wurde es in einer dem Körpergewicht angepassten Menge täglich von seiner Besitzerin ins Maul eingegeben. Sie wurde auf möglich auftretende Nebenwirkungen hingewiesen, aber Whisky vertrug das Medikament prima und hatte auch keine Probleme, es mit einem kleinen Leckerchen täglich zu schlucken. Zusätzlich behandelten wir Whisky über drei Wochen mit einem Breitspektrum-Antibiotikum. Das hilft zwar nicht gegen Demodex-Milben, aber gegen die bakteriellen Sekundärinfektionen. (Auf der Haut hatten sich Entzündungen und Krusten ausgebildet und dazu geführt, dass sich Whisky immer stärker gekratzt hatte. Whisky wurde einmal wöchentlich mit einem antibakteriellen Shampoo gewaschen, was sie geduldig über sich ergehen ließ. Die Entzündung der Gehörgänge wurde zusätzlich lokal behandelt.
In den folgenden Wochen nahm Whisky stetig zu, war wieder „ganz der alte Hund“ und spielte vergnügt im Park. Die verdickten und entzündeten Hautstellen heilten langsam ab, und auch das Fell wuchs nach. Die Beine blieben am längsten fleckig kahl. In den nächsten Monaten kam Whisky einmal im Monat zu Kontrolle. Jedesmal gab es das gleiche Prozedere: Wir führten an mehreren Stellen ein Hautgeschabsel durch und begutachteten es unter dem Mikroskop. Anschließend gab es ein Leckerchen!

Die Milben hielten sich standhaft, wenn auch in immer kleinerer Anzahl. Von außen betrachtet schien Whisky geheilt, aber sie bekam das Medikament aufgrund des mikroskopischen Befundes weiter. Vier Monate nach Therapiebeginn hatten wir das erste Mal ein negatives Ergebnis. Um das Risiko eines Rückfalles minimal zu halten, muss das Geschabsel zweimal im Abstand von vier Wochen negativ sein. Der zweite Test - erneut nach vier Wochen - verlief wieder negativ, so dass die Therapie beendet werden konnte. Whisky, die mittlerweile 6 kg wog, verließ fröhlich die Praxis. Sie wusste ja nicht, dass wir uns in 4 Wochen nicht wieder sehen würden und es auch kein Leckerchen geben sollte.