Einschmelzendes Hornhautulkus bei Pekingese „Charlie“

Charlie, seines Zeichens ein zweijähriger Pekingesenrüde, wurde mir von dem Haustierarzt zur Behandlung des linken Auges überwiesen. Charlie zeigte seit einigen Tagen ein schmerzendes, tränendes und gerötetes Auge, welches trotz der richtig eingeleiteten Ersttherapie nicht besser, sondern schlechter wurde.

Am Tag seiner Vorstellung war das Allgemeinbefinden von Charlie deutlich reduziert, und er konnte das linke Auge nicht öffnen. Nach einer örtlichen Betäubung mit Hilfe von lokalanästhetischen Augentropfen war das Ausmaß der Erkrankung sichtbar. Charlies Auge litt an einem einschmelzenden Hornhautulkus - auch „Melting cornea“ genannt.

Die Hornhaut stellt mit ihrer durchsichtigen kuppelartigen Struktur die „fensterartige“ vordere Begrenzung des Auges dar. In ihrem Aufbau ist sie mit Sehnengewebe vergleichbar, relativ fest, ohne Blutgefäße und natürlich durchsichtig. Die fehlenden Blutgefäße machen die Hornhaut einerseits durchsichtig, andererseits sehr empfindlich gegenüber von Verletzungen und Infektionen jeder Art, da körpereigene Abwehrstoffe am schnellsten über die Blutbahnen transportiert werden (Bild 1).

Melting cornea: einschmelzende Hornhautulkus

Das Krankheitsbild der Melting cornea ist ein rasant und perakut verlaufendes Geschehen oft in Folge einer kleinen unscheinbaren Verletzung der Hornhaut. Die Melting cornea ist ein absoluter Notfall mit unsicherer Prognose, da sich die Hornhaut aufgrund einer Kombination von bakteriellen Infektionen und einer zum Teil veranlagungsbedingten Heilungshemmung im wahrsten Sinnes des Wortes selbst auflöst und dann zum Auslaufen des Auges führen kann. Auch bei, wie in diesem Fall, korrekter Vorbehandlung ist die Komplikation der Melting cornea nie ganz auszuschließen. Sollte dieser Fall dennoch eintreten, ist es wichtig, den Patienten direkt zu einem Augenspezialisten zu überweisen.

An einer Melting cornea erkrankte Augen sind mit herkömmlichen Operationsmethoden (z.B. Bindehauttransplantate) oft nicht zu retten oder bleiben dauerhaft blind. Auch heute noch ist die Prognose trotz einer neuen, effektiven Therapiemöglichkeit – dem „Cross-Linking“ - immer noch als vorsichtig zu bewerten.

Cross-Linking

Das Cross-Linking wird seit Ende der 1990 in der Humanmedizin und seit ca. 2012 in der Veterinärmedizin angewendet. Es handelt sich um eine Bestrahlung des Auges mit einer UVA-Lichtquelle in Kombination mit Riboflavin (Vitamin B2) Tropfen. Diese Kombination führt zu einer schnellen Stabilisierung und Verfestigung der aufgeweichten Hornhautfasern. Das Riboflavin fängt die UVA-Strahlung ab, um Schäden am inneren Auge zu vermeiden. Gleichzeitig hat die Methode einen starken keimabtötenden Effekt, so dass die Infektion viel schneller gestoppt werden kann, als das mit Augentropfen und Tabletten alleine möglich ist. Trotzdem schließt sich im Anschluss an das Cross Linking eine intensive medikamentöse Therapie in Form von Augentropfen/-salben und meist auch der Gabe von Tabletten an, damit die Hornhaut wieder heilen kann.

Der Vorteil dieses Verfahrens liegt eindeutig in der Tatsache, dass die Tiere nur eine leichte Narkose oder Sedierung für die Dauer der Bestrahlung (ca. 20-30 Minuten) benötigen, da der Eingriff an sich nicht schmerzhaft ist. Zudem ist das Verfahren nicht invasiv, d.h. es wird nicht an dem Auge operiert. In einigen Fällen bekommen die Tiere anschließend einen lokalen Schutz in Form einer Kontaktlinse. Der hauptsächliche Vorteil ist jedoch der Tatsache geschuldet, dass die Hornhaut des behandelten Auges nach kompletter Abheilung wieder bis auf die verbleibende Narbe durchsichtig wird, so dass das Tier sein Sehvermögen behalten kann. Der Grad der Durchsichtigkeit hängt selbstverständlich vom Schweregrad der Melting cornea ab. Ich selbst wende die Cross Linking Methode seit ca. zwei Jahren erfolgreich in meiner Praxis bei Hunden, Katzen und Pferden an.    

Das Cross-Linking wird seit Ende der 1990 in der Humanmedizin und seit ca. 2012 in der Veterinärmedizin angewendet. Es handelt sich um eine Bestrahlung des Auges mit einer UVA-Lichtquelle in Kombination mit Riboflavin (Vitamin B2) Tropfen."

Dr. Birgit Lohmann, Tierärztliche Praxis für Augenheilkunde

Zurück zu Charlie...

Der Pekingesenrüde wurde noch am selben Tag behandelt. Damit das Cross Linking Erfolg zeigt, sollte die Hornhaut ausreichend mit den Riboflavintropfen durchtränkt sein. Hierzu wurde Charlie im Beisein seiner Besitzerin ca. 20 Minuten alle 2-3 Minuten ein Tropfen der gelben Tropfen auf sein krankes Auge getropft. Während dieser Zeit wurde ihm ein Venenkatheter gelegt, außerdem wurden ihm schmerz- und entzündungshemmende Medikamente gespritzt. Sobald die Hornhaut ausreichend mit Riboflavin durchtränkt war, haben wir Charlie in eine schonende Inhalationsnarkose versetzt. Daran schloss sich die 25-minütige Bestrahlung mit der speziellen UVA-Lampe an. Während der Zeit der eigentlichen Bestrahlung hat die Besitzerin im Wartezimmer gewartet und war beim Aufwachen wieder bei ihm.

Nach der ambulanten Behandlung schloss sich eine intensive medikamentöse Tropfen- und Tablettentherapie durch die Besitzerin an, um die Wirkung des Cross Linkings fortzuführen und die Heilung der Hornhaut zu unterstützen. Bei Charlie betrug die Dauer der kompletten Heilung sechs Wochen (Bilder 2-5). Charlies Auge wurde in diesem Zeitraum wöchentlich untersucht und die Therapie dem Verlauf entsprechend angepasst.

Nach der letzten Untersuchung wurde Charlie als geheilt entlassen und geht zu den weiteren Kontrollen zu seinem Haustierarzt.