Diagnose: Canine atopische Dermatitis

„Ally“ ist eine 3 Jahre alte Boxer-Hündin, die aufgrund starker Hautprobleme mit Juckreiz in der Hautsprechstunde vorgestellt wurde. Sie litt an wiederkehrenden Ohrenentzündungen (Otitis externa), leckte und kaute sich an allen Pfoten und rieb sich das Gesicht über den Teppich. Zudem zeigte sie immer wiederkehrende Entzündungen im Achsel- und Leistenbereich mit Rötungen der Haut (Erythem) und Anzeichen einer bakteriellen Infektion mit Pusteln und Krusten (Pyodermie).

„Ally“ fraß hypoallergenes Trockenfutter und hatte mehrmals juckreizlindernde Präparate erhalten, da ihre Lebensqualität eingeschränkt war. Zum Zeitpunkt der Vorstellung erhielt sie seit längerem täglich Kortison-Tabletten, die anfangs zur deutlichen Besserung des Juckreizes führten, nun aber nicht mehr die gewünschte Wirkung zeigten. Die Hündin hatte zudem Haarverlust im Nacken entwickelt und erschien den Besitzern "nicht mehr so mobil". Die Nahrungs- und die Wasseraufnahme waren normal, die Kotbeschaffenheit und der Urinabsatz unauffällig. Es leben keine anderen Tiere im Haushalt, und auch die Tierbesitzer zeigen keine Hautprobleme.

Bei der Untersuchung zeigte „Ally“ eine reduzierte Muskulatur an Kopf und Gliedmaßen und Haarverlust an Nacken und Flanken. An allen Pfoten bestand eine deutliche Rötung der Haut im Zwischenzehenbereich. Die Gehörgänge waren sowohl im horizontalen, als auch im vertikalen Teil gerötet, geschwollen, und es bestand ein erhöhter Ohrenschmalzgehalt (erythematös-ceruminöse Otitis externa). Auch am ventralen Hals zeigte sich Haarverlust und Hautrötung, in den Achseln und Leisten Pusteln und Krusten. Entsprechend den gesammelten Daten aus Vorbericht (Anamnese) und klinischer Untersuchung wurden die möglichen Ursachen (Differenzialdiagnosen) für die Erkrankung formuliert: 

 -  allergische Erkrankungen (Nahrungsmittelallergie, Umweltallergie = canine atopische Dermatitis)
 -  parasitäre Erkrankungen (Haarbalgmilbenbefall: Demodikose, kanine Krätze: Sarcoptesräude)
 -  Pilzerkrankungen (Dermatophytose, Hefepilzinfektion)
 -  Nebenwirkungen der Kortison-Therapie

Durch spezielle dermatologische Untersuchungen wurde das Krankheitsbild aufgearbeitet. Oberflächliche und tiefe Hautgeschabsel waren negativ (= Ausschluss von Demodikose, KEIN Ausschluss von Sarcoptesräude!). Abklatschpräparate wurden zur zytologischen Untersuchung entnommen, gefärbt und untersucht. Dabei ergaben sich folgende Befunde: Infektion der Gehörgänge und der Pfoten mit Malassezia-Hefepilzen und der Leisten mit Kokken (Bakterien). Da beide Erregertypen auf jeder Hundehaut physiologisch vorkommen, kann bei Nachweis einer erhöhten Anzahl von einer sogenannten Sekundärinfektion gesprochen werden. Dies bedeutet, dass damit die eigentliche Ursache noch nicht eruiert wurde. Eine Pilzkultur verlief negativ. Die Blutuntersuchung ergab eine mittelgradige Erhöhung der Leberenzyme, was vermutlich auf die vorausgegangene Kortison-Behandlung zurückzuführen war.

Nach diesen Befunden erhielt die Hündin mehrmals ein Antiparasitikum, um eine Sarcoptesräude definitiv auszuschließen. Die Kortison-Dosis wurde schrittweise reduziert, um einem Defizit vorzubeugen, und die Tabletten konnten nach 3 Wochen vollständig abgesetzt werden. Die Hefepilzinfektion der Gehörgänge wurde mit Spülungen und Ohrentropfen für die Dauer von zwei Wochen behandelt. Mit einem antibakteriellen und hefepilzwirksamen Shampoo wurde die oberflächliche Infektion der Leisten und der Zwischenzehenbereiche zunächst täglich für drei Wochen und dann dauerhaft 1-2 Mal pro Woche therapiert.

Diagnose  Canine atopische Dermatitis

Eine Ausschlussdiät erbrachte keine Besserung des wieder aufgeflackerten Juckreizes, die Diagnose "Canine atopische Dermatitis" wurde gestellt und ein Allergietest eingeleitet, um ggf. eine Hyposensibilisierung (Immuntherapie) durchführen zu können (ca. 50% Erfolgsaussichten). “Ally“ zeigte positive Reaktionen gegen Hausstaub- und Futtermilben sowie gegen einige Gräser.

Auf Wunsch und nach Aufklärung der der Besitzer begannen wir mit der Hyposensibilisierung und parallel mit der Gabe eines kortisonfreien Antiallergikums. Auch diese Therapie linderte den Juckreiz nur bedingt, und die Patientin erhielt eine Injektion einer neuartigen, hoch wirksamen biologischen Medikation, die die Symptome spürbar linderte und nun parallel zur Immuntherapie monatlich durchgeführt werden wird.

Fazit: Die atopische Dermatitis des Hundes, d.h. eine Umweltallergie, ist eine unheilbare und bisweilen quälende Erkrankung, deren Diagnose erst nach Ausschluss anderer, mit ähnlichen Symptomen einhergehender Erkrankungen gestellt werden kann. Die Gabe von kortisonhaltigen Präparaten ist wirksam und je nach Dosis auch vertretbar, kann jedoch langfristig erhebliche Nebenwirkungen auslösen. Die in den letzten Jahren zugelassenen alternativen Behandlungsansätze erlauben in vielen (aber nicht allen!) Fällen, auf den Einsatz von Kortison zu verzichten.

„Ally`s“ Beschwerden können also mit den heute zur Verfügung stehenden Möglichkeiten leider nicht vollständig behoben, aber deutlich gelindert werden. So kann sowohl die Lebensqualität der Hündin, als auch indirekt die ihrer Besitzer (!) verbessert werden. Voraussetzung dafür ist eine gründliche Aufarbeitung der Problematik, die gute Kommunikation zwischen behandelndem Tierarzt und Tierbesitzer und die Umsetzung der empfohlenen Therapiemaßnahmen.