Einseitiger eitriger Augenausfluss beim Hund – was dahinter stecken kann.

Der Irish-Setter „Paul“ ist ein fröhlicher, bewegungsfreudiger Hund. Daran änderte auch sein linksseitiger, eitriger Augenausfluss nichts, an dem er seit einigen Wochen litt. Es bestand zunächst der Verdacht auf eine Bindehautentzündung. Allerdings hatten die bisher verabreichten Augenmedikamente keine Besserung erzielt. Auch ein Antibiotikum, welches nach Ermittlung eines Antibiogramms (Wirksamkeitstest im Labor) gegeben wurde, linderte das Problem nur kurzzeitig. Offenbar handelte es sich hier nicht um eine „einfache“ Bindehautentzündung.

Der ophthalmologische Untersuchungsgang – die Augenuntersuchung

Neben dem offensichtlichen wässrig-eitrigem Augenausfluss fiel bei „Paul“ auch eine milde Schwellung des nasalen Unterlides auf. Die gesamte Bindehaut und der Bereich hinter dem dritten Augenlid wurden unter Lokalanästhesie mit Hilfe einer speziellen Pinzette gründlich, jedoch erfolglos nach einem Fremdkörper abgesucht. Während der Untersuchung mit einer Spaltlampe (Lichtquelle mit Vergrößerungsfunktion) zeigten sich die Hornhaut und das vordere Augeninnere unauffällig.

Während der Betrachtung der Tränenpünktchen (diese stellen die Öffnungen für die in den Tränengang ablaufende Tränenflüssigkeit dar) konnte man sehen, dass, vor allem bei Druck auf den nasalen Unterlidbereich, der Eiterfluss hier seine Quelle hatte. Das Sekret zeigte sich hier ursprünglich entsprechend „wurmförmig“.

Mit einer dünnen Plastikkanüle kann man den Tränenkanal unter Lokalanästhesie normalerweise gut spülen. Die Tiere tolerieren das sehr gut. Bei „Paul“ war das anders: Es kam bei Spülung über den oberen Tränenpunkt nur Eiter aus dem unteren. Über die Nase floss gar nichts ab und „Paul“ war die Prozedur sichtbar unangenehm. So bestand nun der Verdacht auf einen Fremdkörper im sogenannten Tränensack. Eine „einfache“ Entzündung wurde als unwahrscheinlich angesehen.

Die Tränen und das Tränen-Nasen-Gang-System

Die Tränenflüssigkeit ist ein sehr wertvolles Substrat, das in Form des Tränenfilms u.a. für die Ernährung, Feuchthaltung, Pflege und Transparenz der Hornhaut von enormer Bedeutung ist. Ihre Zusammensetzung ist komplex - sie wird aus den Tränendrüsen (beim Hund zwei; eine zusätzliche am dritten Augenlid = wässriger Anteil), den Becherzellen der Bindehaut (schleimiger Anteil) und den Meibom-Drüsen am Lidrand (fettiger Anteil) beständig nachgebildet.

„Verbrauchte“ oder überschüssige Mengen werden als Spülflüssigkeit über das Tränen-Nasen-Gang-System abgeleitet. Dieses System besteht aus den zwei Öffnungen (den Tränenpünktchen), den beiden Tränenkanälchen, einem Tränensack, der sich tief in der Augenhöhle befindet und in welchem beide Kanälchen zusammentreffen, und dem eigentlichen Gang, welcher zunächst im inneren knöchernen Anteil der Nase verläuft. Somit sind diese Strukturen von außen nur schwer zugänglich. Man kann den Tränen-Nasen-Gang durch die Füllung mit einem zähflüssigen Kontrastmittel im Röntgenbild oder in der Computertomographie sichtbar machen. Ein Kontrastmittel-Stop würde auf eine Verlegung hindeuten.

Die chirurgische Therapie

Im vorliegenden Fall wurde auf eine Kontrastdarstellung verzichtet. Zu groß wäre die Gefahr, einen Fremdkörper aus dem Tränensack in den noch weniger zugänglichen knöchernen Tränen-Nasen-Gang zu drängen. Stattdessen wurde eine chirurgische Therapie anvisiert. „Paul“ musste hierzu in Vollnarkose gelegt und so gelagert werden, dass man sich den Bereich unter dem OP-Mikroskop gut darstellen konnte.

Dann wurde der Tränensack tief in der Orbita (Augenhöhle) eröffnet, wobei sich zunächst massiv Eiter entleerte. Nach ausgiebigem Spülen und Absaugen konnte anschließend eine Granne aus dem Tränensack entfernt werden.

Im weiteren Verlauf zeigte der Irish-Setter auch ohne Augenmedikamente keine Reizerscheinungen oder Augenausfluss mehr.

Bei eitrigem Augenausfluss und/oder Reizerscheinungen (Lidkneifen, Rötung des Auges, Juckreiz) sollte das Tier einem Tierarzt vorgestellt werden."

Dr. Andrea Steinmetz

Eitriger Augenausfluss beim Hund

Tatsächlich sind beidseitige eitrige Bindehautentzündungen ohne eine weitere Grunderkrankung (z.B. trockenes Auge, systemische Infektionserkrankungen) eher selten und können oft auch ohne ein antibiotisches Augenmedikament, beispielsweise mit pflegenden Spülungen, zur Abheilung gebracht werden. Bei Persistenz bzw. starken Reizerscheinungen muss man jedoch zeitnah die Ursache abklären lassen.

Plötzlich auftretender einseitiger Augenausfluss sollte immer Anlass für einen prompten Gang zum Tierarzt sein, da hier ein Fremdkörper die Ursache sein kann. Häufig sind dies vor allem in den Sommermonaten Grannen, welche aufgrund ihrer Form in den Tränensack und häufiger noch durch die Bindehaut hinter das Auge gelangen können.

Während ein im Tränensack gefangener Fremdkörper „nur“ für anhaltenden Augenausfluss sorgt, entstehen bei freier Wanderung einer Granne am Auge vorbei in die Augenhöhle dort Abszesse, welche das Auge und die Sehfähigkeit in Gefahr bringen. Wird ein Fremdkörper rechtzeitig entfernt, heilen die Symptome rasch ab - und Spätfolgen sind dann nicht zu befürchten.

FAZIT

Bei eitrigem Augenausfluss und/oder Reizerscheinungen (Lidkneifen, Rötung des Auges, Juckreiz) sollte das Tier einem Tierarzt vorgestellt werden.