„Jucken ist schlimmer als Schmerz" - Allergien beim Hund

„Jucken ist schlimmer als Schmerz!“. Diese Erfahrung musste auch die Hundedame Cora in den letzten zwei Jahren machen. Ziemlich verzweifelt berichtete Coras Besitzerin uns von den immer schlimmer werdenden Hautproblemen ihres Hundes. Inzwischen war der ganze Körper betroffen, deutlich sichtbar im Gesichtsbereich, unter der Rute, an den Pfoten und am Körperstamm. Viele Hautkrankheiten haben, insbesondere, wenn sie schon länger bestehen, ein ähnliches Erscheinungsbild. Daher wollten wir genau wissen, wie und wann alles begann. Ein erfahrener Dermatologe nimmt sich für Vorbericht oder Anamnese viel Zeit: hier liegt häufig der Schlüssel zur Diagnose und zum Erfolg.

Wie alles begann.
Anfangs beleckte Cora ein wenig ihre Pfötchen, was gerne als Putzgewohnheit oder Langeweile interpretiert wird. In den allermeisten Fällen ist das Pfotenlecken aber die Folge von Juckreiz und dieser ist in den meisten Fällen die Folge einer Allergie. Ihr Gesicht rieb Cora an Gegenständen oder über den Boden. Außerdem schüttelte sie häufig ihre Ohren und kratzte sich an ihnen. Das Lecken steigerte sich mit der Zeit bis zur Besessenheit und betraf zum Schluss große Körperregionen. Die vom Haustierarzt verabreichten Injektionen halfen anfangs noch, zeigten bald aber keine Wirkung mehr. Auch mehrere vom Besitzer durchgeführte Futterumstellungen auf hypoallergene Diäten zeigten keinerlei Wirkung. Die Besitzerin berichtete, dass sich die Haut insgesamt verändert hatte. Das Haarkleid war dünn und stumpf geworden, an einigen Körperstellen war die Hündin komplett haarlos. Die Haut war dunkler und dicker geworden, zum Teil legte sie sich sogar in Falten, der Fachausdruck dafür heißt „Lichenifikation“. Sie ist ein sehr unspezifisches Symptom und tritt als Folge langwieriger Entzündungsprozesse der Haut auf. Das gleiche gilt für die Dunkelverfärbung, auch „Hyperpigmentierung“ genannt, sie ist ebenfalls ein unspezifisches Symptom, welches wir bei chronischen, also langwierigen, Krankheitsverläufen beobachten.

Diagnose und Behandlung
Nun folgte die Überlegung, welche Gründe für Coras Hautveränderungen verantwortlich sind. Lichenifikation und Hyperpigmentierung sind ja unspezifische Hautveränderungen, die nur anzeigen, dass es sich um eine schon lange bestehende Hauterkrankung handelt. In Frage kommen die folgenden Ursachen:

1. Allergien
2. Hautinfektionen
3. Hautparasiten wie Milben und Flöhe
4. hormonelle Ursachen
5. Pilzinfektionen

Wir nahmen oberflächliche und tiefe Hautgeschabsel, untersuchten diese direkt in der Praxis und konnten so Hautparasiten ausschließen. Eine angelegte Pilzkultur war negativ, also kam eine Pilzinfektion auch nicht in Frage. Nach einer Blutuntersuchung konnten wir ebenfalls hormonelle Ursachen ausschließen, so dass noch Hautinfektionen und Allergien übrig blieben. Proben von der Hautoberfläche zeigten im Mikroskop massenhaft Bakterien und Entzündungszellen. Also handelte es sich um eine bakterielle Hautinfektion. Jetzt stellte sich die Frage, wie Cora zu der bakteriellen Hautinfektion kam. An dieser Stelle hilft uns wieder die Information „Wie begann alles?“ aus dem Vorbericht. Die Antwort war: „Mit mildem Juckreiz, der sich über die Jahre gesteigert hat.“ Dies ist typisch für Allergien, und ein Allergiker ist deutlich anfälliger für Hautinfektionen, als ein hautgesunder Hund.

Wie ging es weiter?
Zunächst behandelten wir die Hautinfektion mit antibakteriellen Bädern und Tabletten. Wir spülten die Ohren, welche auch von der Infektion betroffen waren. Der Zustand der Haut verbesserte sich im Laufe der nächsten Wochen und Coras Haare wuchsen langsam wieder nach. Bei einer Kontrolle der Hautoberfläche konnten wir keine Bakterien und Entzündungszellen mehr nachweisen. Dennoch juckte sie sich noch weiter, wenn auch schon deutlich weniger. Wir führten jetzt einen Allergietest durch. Das Ergebnis war eine Hausstaub-Milben-Allergie. Mit dem Besitzer besprachen wir mehrere Therapiemöglichkeiten. Sie entschied sich für eine Desensibilisierung. Dabei wird das Juckreiz auslösende Allergen in steigenden Dosen injiziert. Beim Hund erzeugt man damit eine Toleranz gegen das Allergen, in diesem Fall die Hausstaubmilbe. Eine Desensibilisierung beim Hund ist sehr verträglich und hat gute Erfolgsaussichten.

Ende gut – alles gut!
Ganze zwei Jahre hat Cora unter Juckreiz und Hautproblemen gelitten, bis die Diagnose Allergie feststand und eine Behandlung zum Erfolg führte. Während das Erscheinungsbild bei Hautproblemen des Hundes ähnlich ist, sind ganz verschiedene Ursachen für die Probleme verantwortlich. Für Hundebesitzer und Tierarzt steht zunächst nur fest, dass das Tier Juckreiz hat, sich kratzt und leckt, also leidet. Gesichtsbereich, Pfoten und Ohren sind bei Allergikern häufig betroffen. Der Tierarzt hat die Aufgabe, alle nicht in Frage kommenden Erkrankungen auszuschließen, um den Ursachen für die Hautprobleme auf die Spur zu kommen. Somit ist die Diagnose Allergie eine Ausschlussdiagnose, der Allergietest dient nur dem Auffinden des verantwortlichen Allergens. Am Ende liegt der Schlüssel zum Erfolg in der ausführlichen Anamnese des Tieres. Hundebesitzer und Tierarzt brauchen Geduld und ein Vorgehen mit System, damit der Hund beschwerdefrei wird.