Klimawandel fördert Zeckenpopulation – und Infektionen

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von Prof. Dr. Georg von Samson-Himmelstjerna – 11.08.2019

Zecken sind weltweit verbreitet und gefürchtet, da sie auf Hund und Halter infektiöse Krankheiten übertragen können (Canine Vector-Borne Diseases – CVBD). Häufige von Zecken übertragene Erkrankungen beim Hund sind zum Beispiel Borreliose, Babesiose, Ehrlichiose und Anaplasmose. Unter anderem durch den Import von Hunden aus dem Ausland, vermehrte Reisetätigkeit und auch durch Klimaveränderungen verändern sich die hierzulande vorkommenden Zeckenpopulationen und mit ihnen die Infektionsrisiken.

Borreliose

Der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus), die bekannteste Schildzecken-Art, kann mehrere Arten der Bakteriumgattung Borrelia spp. übertragen und damit Borreliose verursachen. Je nach Region sind hierzulande zwischen fünf und 35 Prozent der Zecken mit Borrelien befallen.

Babesiose

Die Babesiose ist vor allem durch den zunehmenden Import von Hunden aus süd- und osteuropäischen Ländern als sogenannte „Reisekrankheit“ bekannt geworden. Eine Ansteckung erfolgt vor allem über die Buntzecke (Dermacentor reticulatus).

Diese Zeckenart hat sich in den letzten Jahrzehnten in mehreren Regionen, vor allem im Südosten Deutschlands, ausgebreitet. Endemisch ist D. reticulatus bereits vor allem im Breisgau, Baden-Württemberg und Bayern aber auch in bestimmten Gebieten Berlins sowie Brandenburgs. Es sind auch bereits wiederholt jeweils dort erworbene Babesien-Infektionen beschrieben worden, allerdings gilt die Babesiose weiterhin in Deutschland nicht als endemisch, d. h. durchgehend verbreitet, vorkommend.

Ehrlichiose

Der Erreger der kaninen monozytären Ehrlichiose wird von der Braunen Hundezecke (Rhipicephalus sanguineus) übertragen. Diese Zecke stammt ursprünglich aus Afrika, mittlerweile ist sie jedoch in vielen Ländern Europas verbreitet. In den Mittelmeeranrainerstaaten kommt sie ganzjährig vor, aber auch nördlich der Alpen gelingt es der Zecke, ihren Lebenszyklus abzuschließen, wenn sie sich zum Beispiel mit ihrem Wirt in Innenräumen wie Zwingern oder beheizten Räumen aufhält.

Anaplasmose

Der Krankheitserreger Anaplasma phagocytophilum schädigt und zerstört die weißen Blutzellen. Überträger ist vor allem der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus), aber auch die Braune Hundezecke kann ihn beim Saugakt übertragen. Die Braune Hundezecke stammt ursprünglich aus Afrika und ist in Europa inzwischen überwiegend im Mittelmeerraum beheimatet. Besonders verbreitet ist sie im südlichen Frankreich. Meist wird sie als unerwünschtes Urlaubsmitbringsel eingeschleppt.

Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)

Das Virus der Frühsommer-Meningoenzephalitis wird ebenfalls durch I. ricinus übertragen und kommt in Deutschland vor allem in südlichen Regionen z. B. in Bayern, Baden-Württemberg oder Süd-Hessen vor. Vor wenigen Jahren wurden jedoch auch in Hannover Infektionen bei zwei Hunden beschrieben. Grundsätzlich erkranken Tiere deutlich weniger häufig und meist weniger schwer an dieser Virusinfektion. Es kann aber im Ausnahmefall zu schweren, sogar tödlichen Erkrankungen kommen.

Schon länger beobachten Forscher eine über einen längeren Zeitraum des Jahres vorkommende Zeckenaktivität sowie eine Ausbreitung verschiedener Zeckenarten in nördlichere Gebiete und damit auch der CVBD."

Prof. Dr. Georg von Samson-Himmelstjerna

Auswirkungen des Klimawandels auf die Zeckenpopulation

Schon länger beobachten Forscher eine über einen längeren Zeitraum des Jahres vorkommende Zeckenaktivität sowie eine Ausbreitung verschiedener Zeckenarten in nördlichere Gebiete und damit auch der CVBD. Ein Grund dafür ist die Erhöhung der Durchschnittstemperatur, die für häufigere Hitzeperioden und milde Winter sorgt. So werden Zecken im Winter weniger dezimiert, sie erobern neue Gebiete und können die Wirtssuche ohne Winterruhe kontinuierlich fortsetzen.

Der gemeine Holzbock etwa konnte sich zum Beispiel in den vergangenen zwei Jahrzehnten durch die Klimaerwärmung weiter nach Norden und in höhere Lagen ausbreiten. Damit steigt generell das Risiko für die Übertragung der von dieser Zeckenart übertragenen Krankheitserreger. Auch andere, wärmeliebende und trockenheitsverträgliche Schildzecken wie die Buntzecke und die Schafzecke (Dermacentor marginatus) und die von ihnen übertragenen Krankheiterreger / Infektionskrankheiten, wurden in den letzten 10 bis 15 Jahren in den wärmebegünstigten südwestlichen (z. B. oberrheinische Tiefebene) und nordöstlichen Teilen Deutschlands deutlich häufiger vorgefunden.

Höhere Temperaturen können bei Zecken zu einer später eintretenden Winterpause und einem früheren Aktivitätsbeginn (ab ca. 8 °C Lufttemperatur) führen. Steigende Temperaturen erhöhen zudem die Entwicklungsgeschwindigkeiten und verkürzen die Generationenfolge. Für Aufsehen sorgte in diesem Zusammenhang im August 2018 ein Bericht der Universität Hohenheim, demzufolge in Deutschland die tropische Zeckenart Hyalomma nachgewiesen wurde. Vermutlich sind die Larven der Tiere über Zugvögel aus Süd-Ost-Europa oder Afrika nach Deutschland gekommen und konnten sich aufgrund des ungewöhnlichen Wetters auch hierzulande vollständig entwickeln. Zwischenzeitlich wurde von Experten sogar vermutet, dass einige Hyalomma-Stadien in Deutschland im letzten Jahr überwintert haben. Allerdings fehlen hierzu noch die wissenschaftlichen Belege.

Je nach Vorkommen, kann die Hyalomma-Zecke gefährliche Viren und Bakterien in sich tragen wie das Bhanja-, Togoto-, Dori- oder Batken-Virus beziehungsweise das Bakterium Coxiella burnetii. Südwest-europäische und afrikanische Hyalomma können dagegen den Erreger des Fleckfiebers oder des Krim-Kongo Hämorrhagischen Fiebers (CCHF) übertragen. Einige der Erkrankungen können auch den Menschen betreffen. So kann z. B. CCHF auf einen Menschen übertragen werden, wenn er etwa mit rohem Fleisch oder Blut eines infizierten Tiers in Berührung kommt.

Prophylaxe wichtiger denn je: Tipps für Hundehalter

Die Bedeutung der CVBD hierzulande steigt also mit den geänderten hier vorherrschenden epidemiologischen Bedingungen. Umso wichtiger ist eine gute Prophylaxe. Das können Tierärzte Hundehaltern raten:

• Zeckenprophylaxe: Meiden Sie Zecken-Risikogebiete, vor allem in der Hochsaison, und wenden Sie einen sachgerechten Zecken-Schutz an, den es als Spot-on, Spray, Tablette oder Halsband gibt. Vor Reisen, gerade ins Ausland, sollten Sie sich über das regionale Zeckenrisiko informieren, der ESCCAP-Reisetest bietet hierzu wertvolle Anhaltspunkte.

• Sofortiges Ablesen von Zecken: Hat sich eine Zecke an Ihrem Tier festgesaugt, ist sie so schnell wie möglich mit einer Zeckenzange zu entfernen. Das verringert das Infektionsrisiko.

• Tägliche Untersuchung auf Zecken: Am besten untersuchen Halter ihr Tier nach jedem Spaziergang. Vor allem an weniger behaarten Körperstellen mit dünner Haut (z. B. an Ohrmuscheln oder in der Leistengegend) setzen sich die Parasiten häufig fest.

• Zecken haben ganzjährig Saison: Seien Sie auch im Winter wachsam.

• Immunprophylaxe: Es gibt gegenwärtig lediglich für wenige CVBDs einen Impfschutz. So stehen mehrere Borrelien-Impfstoffe zur Verfügung, durch die nachweislich die Vermehrung der Bakterien in der Haut aber auch in Gelenken verhindert wird. Insbesondere vor Reisen in ein Endemiegebiet sollte, wenn möglich, eine Impfung gegen dort vorkommende CVBD in Betracht gezogen werden. Ob eine solche Impfung sinnvoll ist, muss im Einzelfall entschieden werden, z. B. anhand der Region, in der ein Hund lebt und ausgeführt wird. Grundsätzlich wird durch eine Impfung kein vollständiger Schutz erreicht. Gegen Babesien geimpfte Hunde beispielsweise können zwar dennoch infiziert werden, erkranken aber weniger stark. Gegen Ehrlichiose gibt es keinen Impfstoff.

• Chemoprophylaxe: Gegen Babesien kommt auch der Einsatz eines Babesizids in Betracht, wenn sich ein Hund kurzzeitig (bis ca. 4 Wochen) in einem Endemiegebiet aufhält. Auch diese Maßnahme schützt nicht vor einer Infektion, aber kann die die Schwere der Erkrankung reduzieren.

Co-Autorin dieses Beitrages: Pascale Huber, Tierärztin und Chefredakteurin vetproduction GmbH, Köln