Insekten für den Hund

Portrait Andreas Moll
von Andreas Moll – 11.09.2015

Rüdiger Nehberg, der große Überlebenskünstler startete sein Leben lang aufregende Expeditionen, die ihn besonders in den 70er und 80er Jahren zu einem sehr bekannten Deutschen machten. Berühmt wurde er, als er sich 1981 auf seinem 1000 Kilometer langen „Deutschlandmarsch“ von Hamburg nach Oberstdorf nur von dem ernährte, was er abseits der Zivilisation in der Natur fand. Wichtige Eiweißquelle für ihn waren damals Würmer und Maden, die er scheinbar mit großem Genuss vertilgte. Für Asiaten stehen die schon lange auf dem täglichen Speiseplan, die europäischen Gaumen gewöhnen sich nur ganz, ganz langsam an diese teilweise wohlschmeckenden Proteinquellen. Doch sicherlich werden Insekten in Zukunft immer mehr auf unserem Speiseplan zu finden sein.

Das sehen die Wissenschaftler der Firma Protix ganz genau so. Im niederländischen Dongen, gut 50 Kilometer von Eindhoven entfernt, wurden fünf Jahre lang Technologien entwickelt, aus den Larven der Soldatenfliege (Hermetia illucens) hochwertige Nährstoffe zu produzieren. Die beiden Holländer Tarique Arsiwalla und Kees Aarts, Gründer des Unternehmens, arbeiten seit 2009 mit dem Grundsatz, dass die Natur im Mittelpunkt stehen sollte, die dem Menschen in Zukunft ein besseres Leben ermöglicht. „Wir verfolgen das Ziel, durch unsere Technologien den Hungerkrisen der Welt ein Ende zu bereiten“, erklärt Tarique Arsiwalla. Protix ist übrigens vom Weltwirtschaftsforum zu einem Technologiepionier 2015 gekürt worden und wird diesen September im chinesischen Dalian im Rahmen des "Summer Davos" des Weltwirtschaftsforums, sowie zum Jahrestreffen in Davos im Januar 2016 ihr Projekt vorstellen. Nach dem Prototyp in Dongen, wird die nächste Anlage in Bolivien gebaut – 30 weitere sollen folgen.

Am holländischen Standort werden die Fliegen, die normalerweise in Europa von Portugal bis nach Frankreich und Italien verbreitet sind, in riesigen Hallen gezüchtet. Nach 6-8 Tagen legen diese Eier, aus denen sich kleine Larven entwickeln, die beim Fressen soviel Energie, bzw. Wärme absondern, dass dadurch der subtropische Lebensraum für die Fliegen hergestellt werden kann. Nach weiteren 10 Tagen haben die Larven alle wichtigen Nährstoffe entwickelt und können verarbeitet werden. Durch ein speziell entwickeltes Verfahren werden dann die wertvollen Inhaltsstoffe der Insekten per Zentrifuge extrahiert. Aus 100 Kilogramm Biomasse werden dadurch sechs Kilo Proteinmehl, zwei Kilo Insektenöl und 25 Kilogramm Dünger gewonnen. Die Einsatzgebiete sind mannigfaltig. So werden die gewonnenen Produkte mit Erfolg in der Fischzucht, in der Rindermast eingesetzt und werden für verschiedenste Produkte der Lebensmittelindustrie verwendet.

Hundefutter aus Insekten und Kartoffeln

Vor knapp zwei Jahren kam Eddie von Aalten, Eigentümer der Firma Trovet, auf die Idee, Insekten als Proteinquelle für sein hyperallergenes Hundefutter zu verwenden. Er produziert schon seit 25 Jahren Hunde- und Katzenfutter und achtet dabei besonders auf die Herkunft, Qualität und Verarbeitung der Rohstoffe. „Die Produkte stammen aus einem nachhaltigen Anbau“, erklärt der Firmengründer, „und wir schließen dabei Abfallverarbeitung generell aus. Spezialisiert hat sich Trovet auf Futter, das auch Hunde vertragen, die unter Allergien leiden. Allergien können durch Parasiten, Umweltallergene wie Pollen, Futterbestandteile, Bakterien oder Viren auftreten. So produzierte er Anfang der 90er Jahre ein Futter, das lediglich aus einer Kohlehydrat- (Reis) und einer Eiweißquelle (Lamm) besteht und so von den allergischen Hunden gut vertragen wurde. Ein Vierteljahrhundert lang entwickelten die Holländer weiter qualitativ hochwertiges Futter und Diäten, die seit einigen Jahren auch in Deutschland erhältlich sind.

Auf der Suche nach einer neuen Eiweißquelle hatte ein Mitarbeiter Anfang 2014 das Thema Insekten in den Ring geworfen. 18 Monate lang wurde das Produkt entwickelt, an Geschmack und Konsestenz gearbeitet. Danach haben 32 Tierärzte in den Niederlanden das Futter an ca. 200 Hunden getestet. Die Akzeptenz war außergewöhnlich hoch - fünf Prozent der Hunde haben sich geweigert, das "Insektenfutter" zu fressen, und bei 15% gab es weder positive noch negative Reaktionen auf das Futter. „Bei 80 Prozent der Hunde trat eine deutliche Besserung des Gesundheitszustandes ein“, sagt Eddie von Aalten sichtlich stolz. In Deutschland ist das Produkt ab dem 26. September 2015 über die deutsche Trovet-Dependance in Nettetal erhältlich. Wie alle Diäten und hyperallergenen Futtermittel der Firma, verschreibt auch das neue aus Insekten und Kartoffeln bestehende hyperallergene Futtermittel der jeweils behandelnde Tierarzt.